Justiz Justiz: Schlacht um das höchste Gericht der USA
Washington/dpa. - Von einem «Erdbeben» und einem «Bombeneinschlag»sprachen die US-Medien nach der Rücktrittsankündigung von SandraO'Connor am Freitag, und auf Seiten der Konservativen wie derLiberalen laufen nun die Vorbereitungen auf eine politische Schlacht,die die Nation so tief spalten könnte wie der Irak-Krieg.
Einig sind sich beide Lager in einem Punkt: Die Neubesetzung desPostens im neunköpfigen Richtergremium wird die innenpolitischeDiskussion in den USA über Monate hinweg bestimmen und möglicherweiseauch den nächsten Präsidentschaftswahlkampf prägen. Viele Expertennannten die anstehende Bush-Entscheidung über den Nachfolgekandidatendie wahrscheinlich wichtigste auf dem Gebiet der Innenpolitik seinerPräsidentschaft, weil damit die Weichen langfristig gestellt werdenkönnten: Die Richter im Supreme Court werden nämlich auf Lebenszeitgewählt.
So viel Wirbel um einen einzelnen Richterposten? Die Bedeutung derNeubesetzung erklärt sich aus dem Stellenwert, den das höchsteGericht der USA besitzt. Sein Einfluss auf die Politik ist immens. Inkaum einem anderen Land spielen die Richter eine derart aktive undstarke Rolle wie in den klagefreudigen USA. Dort muss sich dasGremium so häufig mit politischen Streitpunkten - von religiösenThemen über die Todesstrafe bis zu Minderheitenrechten - befassen,dass es praktisch eine Gesetzgebungsfunktion ausübt. Die bisherigeKonstellation von vier konservativen und vier eher liberalen Richternmit O'Connor in der Mitte verhinderte eine Polarisierung: Das Pendelschlug mal in die eine und mal in die andere Richtung aus.
Bush steht nun unter gewaltigem Druck von beiden Seiten. Vor allemdie religiös geprägte Rechte, die ihm im vergangenen November zurWiederwahl verhalf, fordert nun als Gegenleistung einen Kandidatenihrer Färbung. Es nagt an ihr, dass die Republikaner zwar das WeißeHaus besetzen und den Kongress beherrschen, aber ihre Dominanzbislang nicht auf den Supreme Court ausdehnen konnten. Folgt Bushaber ihrer Forderung, droht ihm eine erbitterte Auseinandersetzungmit der Opposition, die den Kongress an den Rand derHandlungsunfähigkeit bringen und in ein Chaos stürzen könnte.
Angefangen hat der Kampf bereits. Vom demokratischen SenatorEdward Kennedy kam die Warnung, dass die Opposition einen Bush-Kandidaten, «der die Rechte und Freiheiten des amerikanischen Volkeseinzuschränken droht», nicht akzeptieren würde. Das heißt, dieDemokraten würden wie derzeit im Fall des von Bush für den UN-Botschafterposten nominierten John Bolton eine Abstimmung über denKandidaten im Senat durch so genannte Filibuster (Dauerreden)verhindern. Umgekehrt listete das konservative «Committee forJustice» (Komitee für Gerechtigkeit) 12 demokratische Senatoren auskonservativen Bundesstaaten auf, «die zur Verantwortung gezogenwerden», sollten sie die Berufung des Nachfolgekandidaten blockieren.
Unterstützergruppen auf beiden Seiten haben bereits eine Serie vonFernsehspots gestartet, die im Ton zum Teil fast so hässlich sind wiejene im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf. Und das ist erst derAnfang. 18 Millionen Dollar will allein die konservative Organisation«Progress for America» (Fortschritt für Amerika) ausgeben, um Bushzur Auswahl eines moralkonservativen Kandidaten zu bewegen und dieDemokraten abzuschrecken, einen solchen Anwärter abblitzen zu lassen.