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Jubiläum Jubiläum: Kleines Glück auf der Finne

Von IRIS STEIN 01.10.2010, 17:58

Halle/MZ. - Vor zwanzig Jahren? Wie sie da ihren Geburtstag gefeiert hat? Da kommt Franka Zech ganz schön ins Grübeln. Ihren 20. am 2. Oktober 1990 - da war sicher einiges los. "Gefeiert haben wir," sagt sie schließlich. "Aber die Einzelheiten?" Die sind ihr einfach abhanden gekommen. Kein Wunder, denn seitdem ist jede Menge passiert im Leben der heute 40-Jährigen.

Sie hatte einen Beruf, der ihr plötzlich nutzlos erschien, lernte einen neuen, der auch nicht gebraucht wurde. Sie lebte im Osten und im Westen, pendelte, führte eine Fernbeziehung, heiratete, bekam ein Kind - halt, das passierte umgekehrt -, und ist heute doch angekommen. Mit wieder einer ganz anderen Arbeit, dafür aber in der Heimat. Mit Mann Michael, der 14-jährigen Tochter Anika und der Schwiegermutter, die sie pflegt, wohnt sie heute in Kahlwinkel, arbeitet im nahe gelegenen Bad Bibra.

Wie war das damals? Möglicherweise würden sich Franka und Michael Zech gar nicht die Zeit zum Nachdenken nehmen, wäre da nicht das runde Einheitsjubiläum und die Tatsache, dass die junge Frau jeweils genau die Hälfte ihres Lebens in der DDR und im vereinten Deutschland verbrachte. Und so kommt es, dass sie gefragt wird, wie ihr Leben früher lief und wie es heute ist.

Facharbeiter für Pflanzenproduktion sei sie 1990 gewesen und habe im Volkseigenen Gut (VEG) in Memleben gearbeitet, erzählt Franka Zech. Es gab eine Forschungsgruppe, die untersuchte Saatgut, beispielsweise die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln darauf, und zu diesem Kollektiv gehörte auch sie, die damals noch Linke hieß und bei den Eltern in Wendelstein, einem Ortsteil von Memleben wohnte. "Nicht mein Traum," sagt sie rückblickend, doch ihr Vater arbeitete auch im VEG und allzu viele Möglichkeiten zur Berufsausbildung gab es auf der Finne nicht. "Das Zementwerk Karsdorf, die umliegenden LPGs, der Kalischacht in Rossleben", zählt ihr Mann Michael auf, "das war es dann auch schon." Wenig Platz für Traumberufe.

Dass es mit dem VEG wohl nicht lange gut gehen würde, das hatte Franka Zech schnell erkannt, als die Wende auch nach Memleben kam. "Vielleicht hätte ich in der DDR noch studiert", meint sie mit einem letzten Rückblick auf ihren damaligen Beruf, doch die Umbrüche der 90er Jahre ließen sie hart auf dem Boden des Arbeitsamtes landen, wo sie eine der ersten war, die eine Umschulung absolvierte. Aber auch Einzelhandelskauffrauen stand nicht gerade die große Zukunft offen. "Ich hatte erstmal was und das war wichtig", begründet sie, dass sie sich dennoch für die Umschulung entschied.

Auch für ihren Mann - mit dem sie 1990 noch gar nicht zusammen war - wurde damals alles anders. "Am 15. Juli 1990 habe ich meine DDR-Facharbeiter-Lehre als Bautischler abgeschlossen", erzählt der 38-Jährige. Doch alles wurde nebensächlich, als nur wenige Wochen nach der Einheit sein Vater starb. Da lastete von einem Tag auf den anderen jede Menge Verantwortung auf den Schultern des jungen Mannes, der damals in der Zwischengenossenschaftlichen Bauorganisation (ZBO), der "Baubrigade", der LPG arbeitete. "Wir haben zu DDR-Zeiten Fenster und Türen hergestellt", erklärt Michael Zech, "und genormte Bauteile eingebaut." Nach der Wende wurde aus dem einstigen Mangel Überfluss. Zu Fenstern und Türen kamen Vordächer, Laminat, Carports und was sich sonst noch alles ein- und anbauen lässt.

Zunächst blieb Michael Zech in der ZBO, dann arbeitete er in einer privaten Firma. Seine Frau Franka hatte da schon mehrere berufliche Stationen hinter sich. Die Umschulung war beendet, sie arbeitete an einer Tankstelle in Rossleben, war schließlich der Mutter in die alten Bundesländer gefolgt. Absolvierte auch dort wieder Schulungen und Lehrgänge und arbeitete für einen Pflegedienst in Baden-Württemberg. Zwei Wochen am Stück hieß es schaffen, dann gab es zwei Wochen freie Zeit. Doch inzwischen waren Franka Linke und Michael Zech ein Paar geworden, an der Fernbeziehung trugen beide schwer. "Ich konnte hier nicht weg, die Mutter, das Haus", sagt er. "Ich wurde in Stuttgart einfach nicht warm", erzählt sie.

Die Lösung war Anika, geboren am 17. November 1995. Zurück nach Baden-Württemberg, das kam nun nicht mehr in Frage. Stattdessen baute die junge Familie das Elternhaus von Michael Zech in Kahlwinkel um, schuf reichlich Platz für ein gemeinsames Leben und richtete sich ein. Nicht von jetzt auf gleich, doch nach und nach wurde es. Schließlich war der Zeitpunkt gekommen, an dem Franka Zech - nun hieß sie so, denn auch Hochzeit wurde endlich 1996 gefeiert - wieder arbeiten gehen wollte. "Ich war dann doch zunächst arbeitslos", erzählt sie, "aber dann ging es ganz schnell." Es war der berühmte Zufall: Einer hatte etwas gehört, ein anderer ihr davon erzählt, sie stellte sich vor und "dann ging es ratzi, fatzi", sagt sie in ihrer burschikosen Art, "und schon konnte ich anfangen". In einem Altenheim in Bad Bibra ist sie für ein Service-Unternehmen tätig, putzt Zimmer, Gemeinschafts- und Therapieräume.

Tochter Anika lernt inzwischen in der 9. Klasse und weiß noch nicht genau, was sie einmal werden möchte - "auf jeden Fall was Soziales", ist sie sicher. Und noch etwas Wichtiges ist passiert: 2003 machte sich Michael Zech selbstständig. "Das war nie ein Traum von mir und das hätte ich auch nicht gedacht, wenn mich vor 20 Jahren jemand danach gefragt hätte", sagt er. Doch der Bautischler sieht es pragmatisch: "Durch meine Arbeit in der Privat-Firma habe ich gesehen wie es geht und mir gesagt: Das kannst du auch." Ein paar größere Aufträge gleich zu Beginn erleichterten ihm den Start, jetzt läuft seine kleine Firma.

Die Zechs sind zufrieden mit ihrem Leben. Für große Reisen fehlte ihnen die Zeit, doch dafür haben sie sich ihre eigene kleine Welt in Kahlwinkel geschaffen. "Mein Vater hat in der Landwirtschaft gearbeitet, da war es im Sommer auch immer schwierig mit Urlaub", erinnert sich Michael Zech, "und weil er dann so zeitig verstorben war, hatte ich auch immer reichlich zu tun und es war nichts mit großen Unternehmungen."

Er engagiert er sich im Alltag. Seit 1994 im Rat der Gemeinde Finneland als Einzelbewerber und seit 2009 im Verbandsgemeinderat für die CDU. Um Tourismus und Wirtschaft kümmert er sich und dafür fallen ihm auch sofort Zukunftswünsche ein: "Eine richtig schöne Investitionsansiedlung, die brauchten wir hier", meint er und hat damit das Wohl der ganzen Gegend im Blick, nicht nur das eigene.

Auf das werden sie heute auf jeden Fall anstoßen zum 40. Geburtstag von Franka Zech. "Ach", sagt die mit ihrem trockenen Humor, "so was Besonderes ist der Tag nun auch nicht."