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Jan Böhmermann Jan Böhmermann: Streit um Erdogan-Gedicht geht weiter

Von Melanie Reinsch 03.07.2016, 17:34
Der türkische Ministerpräsident Erdogan und ZDF-Moderator Jan Böhmermann: Neue Runde im Streit um das „Schmähgedicht“.
Der türkische Ministerpräsident Erdogan und ZDF-Moderator Jan Böhmermann: Neue Runde im Streit um das „Schmähgedicht“. dpa/Presidential Press Office

Berlin - Ein paar Wochen war es still im Streit um das Erdogan-Gedicht. Nun geht die Böhmermann-Affäre in eine neue Runde: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will nach Informationen des Spiegels das Gedicht „Schmähkritik“ des Satirikers Jan Böhmermann aus dem "Neo Magazin Royale“ nun komplett verbieten lassen.

Zuvor durften nur Teile des Gedichts nicht mehr zitiert oder verbreitet werden. Die einstweilige Verfügung wurde im Mai erlassen. Böhmermann hatte in der Sendung ein Gedicht vorgelesen, im dem er Erdogan unter anderem mit einem „Ziegenficker“ verglich. Laut Beschluss waren einige Passagen „schmähend“ und „ehrverletzend“.

Erdogans Anwalt will Gedicht ganz verbieten lassen

Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger hat am Mittwoch Klage beim Hamburger Landgericht eingereicht, um das ganze Gedicht verbieten zu lassen. "Böhmermann kann sich nicht auf Kunst berufen, wenn er selbst behauptet, das Kunstwerk stamme gar nicht von ihm", sagt Sprenger zur Begründung der Klage.

Böhmermann hatte in einem Zeit-Interview gesagt, dass er das Gedicht nicht selbst geschrieben habe, sondern es aus dem Internet habe.

Zuletzt hatte das Gedicht Mitte Mai für Aufsehen erregt, weil der CDU-Abgeordnete Detelf Seif das Gedicht in voller Länge im Bundestag vorgelesen hatte, wo es teils mit Heiterkeit, teils mit Entsetzen aufgenommen wurde. „Versetzen Sie sich in Erdogan, und überlegen Sie, wie Sie dazu stehen würden“, begründete er seinen Vortrag im Plenum.

Der Beitrag von Seif ist auch weiterhin in der Mediathek des Bundestags abrufbar – aus der Mediathek des ZDF wurde es hingegen gelöscht. „Völlig in Ordnung“, nannte der deutsche Medienanwalt des türkischen Staatspräsidenten, Ralf Höcker, die Rede des CDU-Politikers damals.

Seif habe sich die Rede nicht zu eigen gemacht, sondern sie deutlich kritisiert. Ihm sei es darum gegangen, die Abgeordneten über die Vielzahl und Schwere der Beleidigungen aufzuklären.

Anklage noch immer unklar

Noch immer hat auch die Staatsanwaltschaft nicht entschieden, ob Böhmermann wegen „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes“ angeklagt wird. Zuletzt hatte der Bundesrat die Forderung, den Majestätsbeleidigungs-Paragrafen 103 sofort zu streichen, abgelehnt. Begründung: Man wollte den Streit zwischen Deutschland und der Türkei nicht weiter befeuern.

Würde der Paragraf vor Anklageerhebung gegen Böhmermann gestrichen, hätte das von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich gebilligte Verfahren gegen ihn keine Substanz mehr. Außerdem liegen rund 20 Anzeigen von Privatpersonen gegen Böhmermann wegen des „Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten“ vor.