1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Streitthema Flüchtlinge: Jamaika-Koalition: Flüchtlings- und Klimapolitik im Zentrum der Sondierungsgespräche

Streitthema Flüchtlinge Jamaika-Koalition: Flüchtlings- und Klimapolitik im Zentrum der Sondierungsgespräche

Von Markus Decker 17.10.2017, 18:43
Ein Anfang ist gemacht: Die Union hat zu Sondierungsgesprächen für „Jamaika“geladen.
Ein Anfang ist gemacht: Die Union hat zu Sondierungsgesprächen für „Jamaika“geladen. dpa

Berlin - Sie treffen sich erstmal auf neutralem Terrain. In den gediegenen Altbau-Sälen der Parlamentarischen Gesellschaft gegenüber des Reichstags, mit Blick auf die Spree beginnen am Mittwoch die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition. Drei Wochen nach der Bundestagswahl treffen sich zunächst die Union mit der FDP, dann mit den Grünen. Am Donnerstag folgt eine Runde der Grünen mit der FDP, bevor dann am Freitag alle vier Koalitionspartner sich zusammensetzen.

Es wird erst der Anfang sein, am Ende der Woche wird wohl ein erster Zeitplan feststehen. Anders als bei bisherigen Regierungsbildungen werden die Sondierungen länger dauern und ins Detail gehen. Die Grünen wollen sich die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen von einem Parteitag absegnen lassen – dafür brauchen sie eine Grundlage.

Fokus auf Flüchtlings- und Klimapolitik

Viele Sprüche werden vorher gemacht. Die Kanzlerin zeigt sich zuversichtlich, die CSU bewegt sich zwischen Drohen und Kalauer: Der erste Ausflug nach Jamaika werde „nicht geprägt sein von Reggae und Bob Marley und irgendeinem lässigen Style, sondern Jamaika wird ein sehr schweres Stück Arbeit“, sagt ihr Generalsekretär Andreas Scheuer.

Zentrales Problem dürften dabei die Flüchtlings- und die Klimapolitik werden. Beide haben hohen Symbolcharakter, bei beiden scheinen die Fronten verhärtet. Schon CDU und CSU haben sich ja schwer getan, zueinander zu finden. Die Obergrenze der CSU ist allerdings mittlerweile einer weicheren Formulierung gewichen und könnte damit weniger im Zentrum stehen. Zentraler: Den Unions-Wunsch, Flüchtlinge mit subsidiären Schutzstatus Partner und Kinder nicht nachholen zu lassen, lehnen die Grünen strikt ab.

Parteien sind bereit zu Kompromissen

Allerdings ist auch die Union, die gleichzeitig die Familienpolitik in den Mittelpunkt stellt, hier kein Monolith. Denkbar ist, dass den Grünen angeboten wird, den Familiennachzug etwa dann zu erlauben, wenn ein Flüchtling Arbeit gefunden hat. Kompromisse angedeutet hat Grünen-Chef Özdemir schon direkt nach der Wahl bei den von der Union geforderten Rückführungszentren. Hier sollen Flüchtlinge untergebracht werden, bis ihre Verfahren positiv oder negativ abgeschlossen sind. Kritiker sprechen von Lagern. Özdemir deutete an, die Zentren zu akzeptieren, wenn Asylverfahren binnen drei Monaten abgeschlossen würden.

Und dann gibt es da noch die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten um Algerien, Marokko und Tunesien, die die Grünen bislang strikt abgelehnt haben. Ein Einwanderungsgesetz wollen mittlerweile alle Parteien – was sie darunter genau verstehen, ist allerdings noch offen.

Bis Weihnachten soll der Koalitionsvertrag stehen

Es ist anzunehmen, dass Kompromisse in diesem Bereich austariert werden mit den Beschlüssen in der Klimapolitik. Beide verhalten sich zueinander wie kommunizierende Röhren. Und da fordern die Grünen, die 20 schmutzigsten der 148 Kohlekraftwerke sofort dicht zu machen. Die Umweltpolitik ist ihr Gründungsthema, es geht auch darum, gegenüber Merkel Terrain wett zu machen, die sich mit dem Einsatz für eine weltweite Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes als Klimakanzlerin präsentiert.

Für die Union ein sofortiger Kohleausstieg nicht in Frage, genauso wenig wie ein festes Datum für das Ende der Verbrennungsmotoren. Özdemir allerdings hat hier bereits die Kompromisslinie vorgegeben: Nötig sei  ein „Einstieg in den Ausstieg“ aus dem Verbrennungsmotor. Denkbar ist, mit dem Jahr 2035 oder 2040 einfach ein sehr spätes Ausstiegsdatum festzuschreiben.

Bis Weihnachten, so die Hoffnung der möglichen künftigen Koalitionäre, müsste der Koalitionsvertrag stehen. Nicht dass über die Feiertage dann wieder allen möglichen Leuten alles mögliche einfällt, was man doch noch hineinverhandeln könnte. Bis die neue Regierung vereidigt ist, bleibt die alte Regierung geschäftsführend im Amt. Die SPD ist solange gleichzeitig Regierung und Opposition.