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Italien Italien: Silvio Berlusconi sagt ciao - Monti soll Reformstau brechen

Von Philipp Pullella und James Mackenzie 12.11.2011, 20:50

Rom/rtr. - Nach dem Rücktritt desitalienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi soll derinternational anerkannte Wirtschaftsexperte Mario Monti denReformstau in dem hoch verschuldeten Land beenden.Staatspräsident Giorgio Napolitano beauftragte am Sonntag denfrüheren EU-Kommissar mit der Bildung einer neuen Regierung. Der68-jährige Monti soll die von Berlusconi versprochenen Reformendurchsetzen und gegen die Stagnation der Wirtschaft ankämpfen.Berlusconi trat am Samstagabend nach 17 Jahren in deritalienischen Politik von seinem Posten zurück. In Städten wieRom, Mailand oder Bologna feierten Tausende seiner Gegner daspolitische Ende des Medienunternehmers.

Monti kündigte eine rasche Regierungsbildung an. In einemMoment der besonderen Schwierigkeiten müsse sich das Land seinenHerausforderungen stellen, sagte Monti. Innerhalb der kommendenTage dürfte er rund zwölf Minister ernennen, die meisten davonTechnokraten. Napolitano betonte, Italien müsse nunaußergewöhnliche Anstrengungen zur Krisenabwehr unternehmen. DieEU-Spitzen begrüßten die Ernennung als mutmachendes Signal: DerSchritt zeige, dass Italien gewillt sei, die Krise zuüberwinden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung vonKommissionspräsident Jose Manuel Barroso und RatspräsidentHerman Van Rompuy.

BERLUSCONI-PARTEI WILL MONTI GRUNDSÄTZLICH UNTERSTÜTZEN

Monti ist im Ausland hoch angesehen und gilt als ehrlich undsolide, während der schillernde Berlusconi letztlich auch überSexskandale stolperte. Der künftige Regierungschef hat dieRückendeckung der größten Oppositionspartei PD und der meistenParteien der Mitte. Auch Berlusconis Partei PDL kündigte ihregrundsätzliche Unterstützung an, will diese aber von derZusammensetzung des Kabinetts und dem künftigenRegierungsprogramm abhängig machen, wie Parteisekretär AngelinoAlfana sagte. Berlusconis bisheriger Koalitionspartner, dierechtsgerichtete Lega Nord, will Monti nicht stützen. Sollte derWirtschaftsexperte im Parlament genügend Unterstützung erhalten,wird er versuchen, die von seinem Vorgänger mit denEuro-Partnern vereinbarten Reformen umzusetzen. Die nächstenWahlen sind zwar erst für 2013 geplant, allerdings rechnen vieleBeobachter damit, dass Monti nach Verabschiedung zentralerReformen den Weg für Neuwahlen freimacht.

Wichtigste Aufgabe der neuen Regierung ist es, Vertrauen amMarkt zurückzugewinnen und die zuletzt stark gestiegenen Zinsenfür Staatsanleihen auf ein verträgliches Niveau zubringen. Allein bis Jahresende muss Italien Anleihen im Wert vonknapp 60 Milliarden Euro bei Investoren unterbringen. BisOktober 2012 sind es fast 326 Milliarden. Jeder Prozentpunktmehr an Zinsen kostet das Land Milliarden. Der SchuldenstandItaliens wird kommendes Jahr bei 120 Prozent derWirtschaftsleistung verharren - das ist doppelt so viel wie derEuro-Stabilitätspakt erlaubt. Bundesbankchef Jens Weidmann sagteder "Financial Times", kurzfristig seien die hohenRefinanzierungskosten kein größeres Problem.

BERLUSCONI ALS "CLOWN" VERSPOTTET

Berlusconi reichte am Samstag wie angekündigt seinenRücktritt bei Präsident Napolitano ein. Tausende Gegner feiertenauf den Straßen und verspotteten den 75-Jährigen als "Clown".Viele stießen mit Champagner auf das Ende seiner politischenKarriere an. Der in zahlreiche Sex- und Korruptionsskandaleverwickelte Berlusconi zeigte sich bitter enttäuscht: "Es wartraurig, mitanzusehen, das auf einen verantwortlichen und, fallsich das so sagen darf, selbstlosen Akt wie einen Rücktritt mitPfiffen und Beleidigungen reagiert wird."

Berlusconi gab sein Amt auch auf, weil immer mehr Anhängerihre Gefolgschaft aufkündigten. Er hatte zuvor zahlreicheRücktrittsforderungen zurückgewiesen und seit 2008 über 50Vertrauensabstimmungen überstanden. Das Abgeordnetenhausverabschiedete am Samstag ein neues Sparpaket und erfüllte damitdie von Berlusconi genannten Voraussetzungen für einenRücktritt. Das Sparpaket sieht unter anderem die Erhöhung desRenteneintrittsalters auf 67 Jahre und die Privatisierung vonStaatseigentum vor.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, der Beschluss imParlament sei sehr erfreulich. "Auf dieser Grundlage hoffe ich,dass das Vertrauen in das Land Italien zurückkehrt, was dringendnotwendig ist, damit wir insgesamt in der Euroregion eineBeruhigung bekommen."