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Islands Regierung zerbricht an Finanzkrise

26.01.2009, 18:07

Reykjavik/dpa. - Angesichts der verheerenden Folgen der Finanzkrise und der wochenlangen Straßenproteste der isländischen Bevölkerung ist die Regierung in Reykjavik zurückgetreten.

Nachdem sein sozialdemokratischer Koalitionspartner ihm das Vertrauen entzogen hatte, verkündete der konservative Ministerpräsident Geir Haarde am Montag das Ende der großen Koalition. Die isländische Regierung ist nach der belgischen die zweite, die im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise zum Rücktritt gezwungen ist.

Die 320 000 Einwohner der Inselrepublik im Atlantik sind seit dem Zusammenbruch der drei größten Banken im November besonders hart von den Folgen der internationalen Finanzkrise betroffen. Tausende Demonstranten hatten bei zuletzt täglichen Protesten immer wieder den sofortigen Rücktritt der Regierung und umgehende Neuwahlen verlangt.

Haarde sagte kurz vor der Überreichung seines Rücktrittsschreibens bei Staatspräsident Ólafur Grímsson: «Ich bedaure diesen Bruch der Koalition wirklich. Es wäre die beste Lösung gewesen, wenn wir bis zu den Wahlen weiter zusammengearbeitet hätten.» Vergangene Woche hatten die Koalitionspartner noch gemeinsam unter dem Druck täglicher Protestdemonstrationen vorzeitige Wahlen für den 9. Mai angekündigt.

Grímsson erklärte, er werde frühestens an diesem Dienstag den Auftrag zur Regierungsneubildung vergeben. Außenministerin Ingibjörg Gísladóttir schlug ihre sozialdemokratische Parteikollegin Jóhanna Sigurdardóttir, bisher Sozialministerin, als neue Regierungschefin vor. Sie selbst wolle nach ihrer Operation an einem Hirntumor Ende vergangenen Jahres «für ein bis zwei Monate zur Seite treten», sagte die 54-jährige Außenministerin. Sie forderte den drei Jahre älteren und vor einer Operation wegen Speiseröhren-Krebs stehenden Haarde auf, dasselbe zu tun. Haarde machte dennoch seinen Anspruch auf die Führung einer Übergangsregierung mit Unterstützung anderer Parteien im «Althing» geltend.

Unmittelbar vor dem Bruch der Koalition waren die Sozialdemokraten als kleinerer Koalitionspartner mit der Forderung gescheitert, das Spitzenamt in der Regierung zu übernehmen. Sie verlangten auch die Entlassung von Nationalbankchef Davíd Oddsson. Dies hatte stets zu den wichtigsten Forderungen bei den Protestdemonstrationen gehört.

Oddsson ist ein früherer Parteifreund Haardes und war über fast anderthalb Jahrzehnte Islands Ministerpräsident. Er gilt für viele Bürger als maßgeblich mitverantwortlich für die extrem expansive und aggressive Kreditpolitik isländischer Banken. Nach dem Zusammenbruch aller großen Banken müssen die isländischen Bürger nun die Konsequenzen tragen und mit einer rasant steigenden Arbeitslosigkeit, der Entwertung der Landeswährung Krone und einer gigantischen Staatsverschuldung leben.

Der sofortige Rücktritt der Regierung unter Haarde wurde von den Demonstranten schon seit November verlangt. Am Sonntag war mit dem Rücktritt der staatlichen Bankenaufsicht eine weitere zentrale Forderung der Protestbewegung erfüllt worden. Vor der isländischen Regierung war im vergangenen Dezember bereits in Belgien die Regierung indirekt über die Folgen der Finanzkrise gestolpert. Regierungschef Yves Leterme war vorgeworfen worden, im Prozess um den Verkauf der belgischen Großbank Fortis unerlaubten Druck auf das Gericht ausgeübt zu haben.