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Island Island: Frauen an die Macht

Von Thomas Borchert 22.04.2009, 12:38
Am Samstag wird in Island gewählt. Die isländische sozialdemokratische Regierungschefin Jóhanna Sigurdardóttir wird dabei als Siegerin erwartet. (FOTO: DPA)
Am Samstag wird in Island gewählt. Die isländische sozialdemokratische Regierungschefin Jóhanna Sigurdardóttir wird dabei als Siegerin erwartet. (FOTO: DPA) MORGUNBLADET

Reykjavik/dpa. - Arbeitslosigkeit von 1 auf fast 10 Prozentexplodiert, Hauskredite unbezahlbar, und junge Leute wandernmassenweise aus: Auf Island können die 227 896 Stimmberechtigtenunter 320 000 Inselbewohnern am Samstag erstmals nach demZusammenbruch ihrer Banken auf dem Wahlzettel Verantwortung zuweisenund Konsequenzen für die Zukunft einläuten. Als souveräne Siegerinwird bei den vorgezogenen Wahlen die rot-grüne Koalition derSozialdemokratin Jóhanna Sigurdardóttir (66) erwartet. Sie kam erstim Februar ans Ruder, nachdem Massenproteste auf der Straße denRücktritt des konservativen Regierungschefs Geir Haarde (58)erzwungen hatten.

Animierte Grafik: Parlamentswahl in Island

Dessen seit anderthalb Jahrzehnten unangefochten regierendeUnabhängigkeitspartei erwartet dagegen die Wähler-Quittung für denbeispiellosen Ruin ihrer neoliberalen Politik: Nach 36,6 Prozent beiden Wahlen 2007 wollen am Samstag nach Umfragen nur noch 23,6 Prozentfür die Partei von Haarde stimmen, der selbst nicht mehr antritt.

«Schlimmer als Arbeitslosigkeit und aktuelle Geldsorgen für dieMenschen hier ist eigentlich die große Unsicherheit, was kommt.Niemand weiß, wie gewaltig unsere Schulden wirklich sind», sagt derPublizist Oskar Gudmundsson über die Stimmung im Wahlkampf. Dabeigibt auch die Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und denLinksgrünen alles andere als eindeutige Signale für die Zukunft.

Sigurdardóttir meint vage: «Vor allem müssen wir neues Vertrauenaufbauen.» Ihre eigene Partei hatte auch schon vor der Krisemitregiert und kann sich nach den Umfragen nur auf eine unwesentlicheVerbesserung ihrer 26,8 Prozent von den letzten Wahlen 2007einstellen. Die Linksgrünen aber, die schon lange vor demkreditfinanzierten Boom auf Island als wackligem Kartenhaus gewarnthatten, stehen fast vor einer Verdoppelung von 14,3 auf 27,2 Prozent.

Während die Sozialdemokraten den einzigen Ausweg für die Insel-Wirtschaft mit ihrer total entwerteten Mini-Währung Krone imschnellen Beitritt zur EU sehen, lehnen die Linksgrünen das ab. Denoffenen Streit haben die lesbische Ministerpräsidentin und ihrlinksgrüner Finanzminister Steingrímur Sigfússon (53) bis nach denWahlen aufgeschoben. Zusammen können beide mit einer sicherenMehrheit von 57,1 Prozent statt bisher 41,1 Prozent rechnen.

Das Umfrageergebnis einen Tag vor der Wahl galt vor allem alsIndiz für eine Abstrafung der Konservativen für ihre Rolle beimsteilen Absturz der Wikinger-Nachfahren in der Finanzkrise. Haardeund sein Vorgänger Davíd Oddsson (61), der später die Nationalbankleitete, hatten die Privatisierung und Liberalisierung des heimischenBankgewerbes durchgesetzt. Mindestens das Zehnfache eines komplettenBruttonationalproduktes haben die drei größten GeldinstituteKaupthing, Landsbanki und Glitnir den Isländern nun durch ihrenKollaps als Schulden für mehrere Generationen aufgebürdet.

Die bei winterlichen Demonstrationen vor dem «Althing» inReykjavik machtvoll angewachsene Protestbewegung erzwang einenRegierungswechsel, den Abgang Oddssons aus der Nationalbank undNeuwahlen. Im künftigen Parlament wird sie der letzten Umfragezufolge mit 4 von 63 Abgeordneten vertreten sein.