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Iran Iran: Parlamentswahl gilt als akut gefährdet

31.01.2004, 18:04
Länderinfo Iran (Grafik: dpa)
Länderinfo Iran (Grafik: dpa) dpa

Teheran/dpa. - Drei Wochen vor der Parlamentswahl in Iran ist der Wahlgang am 20. Februar akut gefährdet. Innenminister Abdolwahed Mussawi Lari sagte der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna, die Regierung habe das Recht, die Wahl nicht stattfinden zu lassen. Nach Angaben Laris sind vom ultraorthodoxen Wächterrat 87 reformorientierte Abgeordnete nicht zu einer neuen Kandidatur zugelassen worden. Damit gebe es in fast der Hälfte der Wahlbezirke keine echte Konkurrenz. Es sei «unrechtmäßig», unter diesen Umständen Wahlen abzuhalten, sagte der Innenminister der Staatsagentur.

Der iranische Nachrichtendienst Kar berichtete, die Regierung beabsichtige, die abzusagen. Kar zitierte Innenminister Lari mit den Worten: «Die Ablehnung von (reformorientierten) Kandidaten ist vom Wächterrat nicht zurückgenommen worden, und deswegen halten wir die Wahlen für illegitim und illegal und werden sie nicht abhalten.»

Der Wächterrat erwägt die Organisation der Parlamentswahl auch ohne Unterstützung durch die Regierung. Der Rat wolle an dem Termin 20. Februar auf jeden Fall festhalten, hatte der Vorsitzende des Rats, Ahmed Dschannati, am Freitag betont, nachdem sich Lari zuvor für eine Verschiebung ausgesprochen hatte.

Das Kabinett beschäftigte sich am Samstag in einer Krisensitzung mit der nach Meinung von Beobachtern schwersten Krise in Iran seit der islamischen Revolution unter Ajatollah Khomeini vor 25 Jahren.

Die Verhandlungen mit dem ultrakonservativen Wächterrat über die Zulassung reformorientierter Kandidaten stecken nach Worten von Präsident Mohammed Chatami in einer Sackgasse. Der als Reformer geltende Staatschef sagte laut Irna weiter: «Diese Regierung wird nur freie und mit Konkurrenz (unterschiedlicher Kandidaten) ausgestattete Wahlen abhalten.»

Innenminister Lari schrieb an den aus ultraorthodoxen schiitischen Geistlichen und Juristen zusammengesetzten Wächterrat, die 27 Gouverneure des Landes sähen die politischen, gesetzlichen und sicherheitstechnischen Voraussetzungen für die Wahl nicht für gegeben. Der Rat hat die Funktion einer Kontrollinstanz, die alle politischen und gesetzgeberischen Entscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit den Gesetzen des schiitischen Gottesstaates in Iran überprüft. Das Gremium wies die Kritik als unbegründet zurück.

Der Wächterrat hatte am Freitag den Abschluss seiner Überprüfung der rund 8000 Kandidaten für die Parlamentswahl verkündet und 5540 von ihnen zur Wahl zugelassen, darunter 1160 von zunächst 3500 abgelehnten Reformern. Die einseitige Ablehnung reformorientierter Männer und Frauen hatte zuvor heftige Proteste in der Bevölkerung, zahlreicher Minister und einen Sitz- und Hungerstreik von rund 80 für Reformen eintretenden Parlamentsabgeordneten ausgelöst. Nach unbestätigten Meldungen von Kar haben reformorientierte Parlamentsabgeordnete, die nicht zur Wahl zugelassen wurden, aus Protest ihre Mandate niedergelegt und wollten die Wahl boykottieren.

Dem Boykott wollen sich nach einer Meldung des iranischen Nachrichtendienstes Fars auch Prediger und Islamwissenschaftler in der heiligen Stadt Qom anschließen.