Irak-Konflikt Irak-Konflikt: Friedensbemühungen vor dem Azoren-Gipfel

Lajes/Washington/Berlin/dpa. - Die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts sind nur noch gering. Regierungen in aller Welt rechneten am Sonntag mit einem baldigen Kriegsbeginn. Unter diesen Vorzeichen gingen auch die USA, Großbritannien und Spanien am Sonntag in ihr kurzfristig auf den portugiesischen Azoren angesetztes Dreier-Gipfeltreffen. Weltweit demonstrierten wieder Hunderttausende gegen einen Irak-Krieg.
US-Präsident George W. Bush, der britische Premier Tony Blair und Spaniens Regierungschef José María Aznar, die am Sonntagnachmittag auf den Azoren eintrafen, wollten letzte diplomatische Optionen prüfen. Von dem Gipfel wurde ein starkes allerletztes Signal an den irakischen Machthaber Saddam Hussein erwartet.
Wenige Stunden vor dem Gipfeltreffen auf dem US- Luftwaffenstützpunkt Lajes auf der Azoren-Insel Terceira verlangten Deutschland, Frankreich und Russland nochmals eindringlich eine friedliche Lösung. Der russische Vize-Außenminister Juri Fedotow erklärte in Moskau: «Derzeit gibt es keinen Grund zur Beendigung der Inspektionen und für eine vorschnelle Gewaltanwendung im Irak.» Papst Johannes Paul II. warnte in einem dramatischen Friedensappell vor den «fürchterlichen Folgen» eines Krieges.
Moskau und Paris hatten am Samstag gemeinsam mit der Bundesregierung in Berlin überraschend eine neue Initiative für eine friedliche Entwaffnung des Iraks angekündigt. Das Trio im UN- Sicherheitsrat will den Irak zu einer beschleunigten Abrüstung auffordern, um einen drohenden Krieg abzuwenden. Der Initiative zufolge sollen die Außenminister der Sicherheitsratsmitglieder Anfang der Woche im Rat über einen neuen Abrüstungszeitplan entscheiden.
US-Außenminister Colin Powell nahm den Vorstoß mit Skepsis auf. Er halte es für zweifelhaft, dass eine solche Sitzung angesichts der tief greifenden Differenzen Sinn mache, sagte Powell am Sonntag in einem Interview des US-Senders Fox News.
Der Papst appellierte an die USA, nach einer friedlichen Lösung zu suchen. Ohne Washington beim Namen zu nennen, sagte er am Sonntag beim Angelus-Gebet in Rom: «Es bleibt noch Zeit für Verhandlungen, es gibt noch Spielraum für den Frieden, es ist nie zu spät, um einander zu verstehen und um weiter zu verhandeln». Der französische Präsident Jacques Chirac, der mit einem Veto gegen eine Kriegsresolution gedroht hat, zeigte in einem CNN-Interview Flexibilität. Er könne eine 30- oder 60-Tage-Frist für den Irak akzeptieren.
US-Vizepräsident Richard Cheney deutete jedoch an, dass ein Kriegsbeschluss Präsident Bushs in Kürze fallen könnte. Dieser hatte die Amerikaner in einer Rundfunkrede am Samstag bereits auf einen Krieg eingestimmt und erklärt, vor den Nationen der freien Welt lägen entscheidende Tage.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bezweifelte am Sonntag ebenfalls, dass ein Krieg noch vermieden werden kann. Das Auswärtige Amt bereitete die kurzfristige Schließung der Botschaft in Bagdad vor und forderte alle Deutschen auf, den Irak zu verlassen. Der französische Außenminister Dominique de Villepin sagte: «Ich denke, die Amerikaner zählen in Tagen.» Der portugiesische Regierungschef José Manuel Durão Barroso, der Gastgeber des Azoren-Gipfels, erklärte vorher: «Die Chancen für eine friedliche Lösung sind minimal.»
In vielen Ländern fanden am Wochenende erneut Großdemonstrationen gegen einen Krieg statt. In Berlin bildeten über 100 000 Menschen eine 35 Kilometer lange Lichterkette. Auch in Frankreich, Italien, Spanien und anderen Ländern gab es Friedensmärsche. Belgien will den USA im Falle eines Angriffs auf den Irak ohne UN-Mandat den Waffennachschub über sein Hoheitsgebiet untersagen.
Irans Präsident Mohammed Chatami und sein syrischer Amtskollege Baschar el Assad äußerten bei einem Treffen in Teheran ihre tiefe Besorgnis, dass ein Krieg die Nahost-Region destabilisieren und zu einer Eskalation des Terrorismus führen könne. Auch die Arabische Liga warnte vor der «Wut» der arabischen Völker bei einem Krieg.
Im Vorfeld einer möglichen Invasion teilte der Revolutionäre Kommandorat des Iraks das Land in vier Militärzonen ein und unterstellte es der Militärverwaltung. Nach Angaben des Staatsfernsehens übernahm Saddam den Oberbefehl über alle vier Militärdistrikte. Das Kommando über die einzelnen Militärzonen wurde engen Vertrauten Saddams übertragen, darunter seinem Sohn Kusai.
Die UN-Chefinspekteure für den Irak, Hans Blix und Mohammed el Baradei, wurden von Bagdad zu einer neuen Reise nach Bagdad «so schnell wie möglich» eingeladen. Der Irak will über eine «Beschleunigung» der Zusammenarbeit bei der Abrüstung sprechen.
