Irak Irak: Flucht in Shorts und Pyjamas

Bagdad/dpa. - In der Fassade des klobigen Hotel-Hochhauses klaffen mehrere Löcher. In den oberen Stockwerken fehlen zahlreiche Fensterscheiben. Ihre Splitter verletzten mehrere der Bewohner des ehemaligen Staatshotels «Raschid». Die von Unbekannten von einer 300 Meter entfernt gelegenen Straße aus abgefeuerten Raketen trafen jedoch US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, der in der Nacht ebenfalls in dem von der US-Armee kontrollierten Bau schlief, nicht. Wolfowitz hält sich zurzeit zu einem Inspektionsbesuch im Irak auf. «Das war der Widerstand», sagt die irakische Hausfrau Sahira Hamid lächelnd. «Alle wissen, dass Wolfowitz da drüben wohnt», fügt die 39- Jährige hinzu.
Mehrere laute Detonationen rissen Hamids Familie, die keine 200 Meter vom Hotel «Raschid» entfernt ihre Wohnung hat, am frühen Sonntagmorgen aus dem Schlaf. «Wir hatten keine Angst», sagt Sahira Hamid. «Wir sind Bomben und Explosionen gewöhnt. Wir haben hier viele Kriege erlebt». Sie spielt darauf an, dass Bagdad in den 80er Jahren von den Iranern sowie in den 90ern und zuletzt in diesem Frühjahr von den Amerikanern bombardiert wurde. Jetzt sind die Amerikaner als Besatzer im Land. Vielen Irakern sind sie immer noch nicht willkommen.
Im «Raschid» logieren auch die Beamten der US-geführten Zivilverwaltung. «Ich hatte Glück», sagt ein osteuropäischer Mitarbeiter der Behörde. «Ich habe mir nur ein paar kleinere Schnittwunden an den Füßen zugezogen, als ich durch das zerbrochene Glas watete.» Nach dem Raketenbeschuss waren die meisten Bewohner des Gebäudes in Shorts und Pyjamas ins Freie geflüchtet.
Das «Raschid» galt vor dem Krieg als bestes Hotel in Bagdad. Errichtet wurde es 1982 für ein Gipfeltreffen der paktfreien Staaten. Im Golfkrieg 1991 wurde es zum Journalistenhotel schlechthin. Die CNN-Starreporter von damals berichteten von dort über die Bombeneinschläge. Anschließend ließ Saddam auf dem Fußboden am Eingang ein Mosaikporträt von George Bush senior, dem US-Präsidenten im Golfkrieg, anbringen. Die Gäste sollten Bushs Kopf mit Füßen treten.
Im letzten Krieg wechselten die Reporter ins Hotel «Palestine» am gegenüber liegenden Tigris-Ufer, weil es sicherer schien als das mitten im Regierungsviertel gelegene «Raschid». Außerdem bot es die bessere Aussicht auf die Stadt und die dann von den Amerikanern bombardierten Palastanlagen Saddams.
Nach dem Krieg requirierten die Amerikaner das «Raschid» für ihre Verwaltung. Es liegt nun hinter Betonmauern, mitten in dem von den Amerikanern abgesperrten Areal. Für die auf einem Lastwagenanhänger installierte «Stalinorgel» der Attentäter war die Mauer nicht hoch genug. Sie feuerten ihre Raketensalve von der «Straße des 14. Juli» ab, die erst am Vortag vom US-Militär für den Verkehr freigegeben worden war. Bislang war die Straße, zusammen mit der gleichzeitig wiedereröffneten Brücke des 14. Juli, Teil der «Verbotenen Stadt» der Amerikaner.
«Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht», meinte ein US- Offizier am Schauplatz. «Wir können nicht an jede Ecke einen Wachtposten stellen.»
