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Interview Interview: «Neuer Ausgleich stärkt Solidarprinzip»

21.08.2008, 16:57

Halle/MZ. - Herr Deh, ist künftig, nur noch ein chronisch Kranker ein guter Versicherter?

Deh: Nein. Das ist Propaganda. Und die kommt von Kassen, die in der Vergangenheit ganz bewusst eine Versichertenauswahl getroffen haben, möglichst nur junge und gesunde Menschen aufnehmen wollten. In Zukunft müssen die Kassen eine Kompetenz aufweisen, sich auch um Kranke kümmern zu können. Es gibt in Deutschland eine Reihe von Kassen, die das nicht können. Die AOK hat sich hier jahrelang eine besondere Kompetenz erarbeitet und sich schon immer um Gesunde und Kranke intensiv gekümmert.

Welchen Stellenwert wird künftig die Prävention haben? Es gibt Befürchtungen, die Kassen sind nicht mehr daran interessiert, dass jemand seine Lebensweise ändert, um etwa den Bluthochdruck in den Griff zu bekommen. Dann bringt er ja kein Geld mehr.

Deh: Auch das verbuche ich unter Stimmungsmache. Diejenigen, die da jetzt aufheulen, haben dieses Feld bisher überhaupt nicht besetzt. Es wird auch in Zukunft darum gehen, Gesunde dabei zu unterstützen, möglichst lange gesund zu bleiben und Versicherten mit chronischen Erkrankungen Angebote zu machen, um die Krankheit und deren Folgen möglichst lange im Griff zu haben. Das steht fest. Was mich an der Diskussion wirklich ärgert ist der Umstand, dass bewusst eine Verunsicherung von Menschen in Kauf genommen wird. Viele haben plötzlich Angst, dass sie in Zukunft von ihrer Krankenkasse nicht mehr dabei unterstützt werden, schnell gesund zu werden, weil ihre Krankheit für die Krankenkasse attraktiv sein könnte.

Kritisiert wird, dass es künftig auch für so genannte Wohlstandskrankheiten Geld aus dem Morbi-RSA gibt. Teilen Sie diese Kritik?

Deh: Ich gehe davon aus, dass die Experten die 80 Krankheiten, mit denen sie in den Morbi-RSA starten wollen, gut ausgewählt haben. Der Morbi-RSA sollte aber mit einer Überprüfungsklausel versehen werden. Somit kann schnell festgestellt werden, ob der gewollte Effekt eintritt - nämlich eine stärkere Lenkung der Mittel hin zur Versorgung von Kranken.

Bei der Debatte geht es um sehr viel Geld, das anders verteilt wird.

Deh: Die Krankenversicherung als Solidarprinzip ist geschaffen worden, damit die Gesunden für die Kranken, die Besserverdienenden für die weniger gut Verdienenden und ein bisschen auch die Jungen für die Alten einstehen. Diese Idee stärkt der Morbi-RSA. Zum Beispiel müssen Regionen wie Bayern jetzt stärker Mittel für den Osten bereitstellen. Das finden die natürlich nicht gut. Aber dann sollen sie doch offen sagen: Wir wollen, dass die Menschen im Osten schlechter medizinisch versorgt werden, obwohl sie die ältere und kränkere Bevölkerung sind. Das muss dann politisch ausdiskutiert werden. Alles andere ist unlauter.

Erhält die AOK durch den Morbi-RSA künftig mehr Geld?

Deh: Das steht noch nicht fest. Allerdings kann ich sagen, dass der Morbi-RSA für Sachsen-Anhalt insgesamt vorteilhaft ist. Das muss auch so sein, da hier im Vergleich zum Bundesdurchschnitt mehr Kranke zu versorgen sind.