Interview mit Thilo Weichert Interview mit Thilo Weichert: Datenschützer über Facebook: "Verstöße geschehen tagtäglich"
Kiel/MZ - Einige Bundesländer wollen den Einsatz Sozialer Netzwerke für Lehrer einschränken. Für die MZ sprach Kerstin Krupp mit dem Kieler Datenschützer Thilo Weichert.
Herr Weichert, Facebook gehört für die überwiegende Zahl junger Menschen bereits zum Alltag. Warum sollte das ausgerechnet in der Schule anders sein?
Weichert: Weil sich Facebook nicht an deutsche Gesetze hält. Das beginnt mit dem Verbot von Pseudonymen, der Datenspeicherung in den USA, der Weitergabe von Daten an Geheimdienste wie NSA, CIA oder FBI, der Speicherung von Cookies und von Persönlichkeitsprofilen. Es besteht für die Schulen nicht ansatzweise die Möglichkeit, den Kommunikationsverkehr über Facebook nachzuvollziehen oder gar zu kontrollieren. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist das eine Katastrophe und kann Kindern nicht zugemutet werden.
Kinder unter 13 sind sowieso, auch nach den Geschäftsbedingungen von Facebook, ausgeschlossen. Wäre es nicht besser, den Älteren über die Schule einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium zu lehren?
Weichert: Kinder unter 13 sind war ausgeschlossen, das Alter wird aber nicht ansatzweise von Facebook überprüft. Die freuen sich natürlich über jeden Jüngeren, ohne aber die notwendigen Maßnahmen zum Kinder- und Jugendschutz zu ergreifen.
In Schleswig-Holstein ist die Nutzung von Facebook zur Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern bereits untersagt. Seit wann ist das so, und wie kam es dazu?
Weichert: Seit über einem Jahr ist die Erlasslage in Schleswig-Holstein so, wie jetzt auch in Baden Württemberg. Das wurde notwendig, weil Facebook aggressiv auf die Schulen zugegangen ist, mit nützlichen Angeboten, wie zum Beispiel Tools, die für die schulinterne Kommunikation eine Erleichterung darstellen. Aber auch viele Lehrer hatten von sich aus den Wunsch geäußert, Facebook nutzen zu können. Das gab eine heftige Diskussion zwischen Eltern und Lehrern. In beiden Lagern gab es sowohl Befürworter als auch Gegner. Wir haben damals auf das Bildungsministerium eingewirkt, dass es eine Regelung dafür findet, dass Schulen nur Kommunikationsmittel nutzen dürfen, die sie einigermaßen kontrollieren können.
Welche datenschutzrechtlichen Verstöße befürchten sie konkret?
Weichert: Wir befürchten sie nicht, sie geschehen tagtäglich: Facebook erstellt zu seinen Usern, also auch den Schülern, ein Profil, das zu Werbezwecken vermarktet wird. Das ist nicht nur theoretisch so, das ist das Geschäftsmodell des Unternehmens.
Wie können Schüler Ihrer Ansicht nach einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren persönlichen Daten in sozialen Netzwerken lernen?
Weichert: Da muss viel passieren. Wir sind bereits jeden Monat in Schulen, wo wir speziell über die sozialen Netzwerke informieren. Von daher wissen wir auch, dass die Schüler, je älter sie sind, umso kritischer und sensibler mit dem Thema umgehen.
Auch unter den Schülern gibt es sicher Facebook-Gegner.
Weichert: Natürlich sind unter den Schülern auch welche, die aus guten Gründen Facebook nicht nutzen und dazu eben auch nicht von der Schule gezwungen werden wollen.