Interview mit Marianne Koch Interview mit Marianne Koch: «Jede Umstellung ist problematisch»

Köln/MZ. - Frau Dr. Koch, im Petitionsausschuss haben Sie sich dafür eingesetzt, dass Apotheker nicht mehr verpflichtet sein sollen, Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, gegen andere, eventuell preisgünstigere, auszutauschen. Von welchen Mitteln ist hier die Rede?
Marianne Koch: Das sind stark wirkende Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide, also Morphin-Abkömmlinge, die unter anderem auch Krebspatienten verordnet werden, damit deren Schmerzen einigermaßen gelindert und sie ein halbwegs normales Leben führen können.
Seit wann sind Apotheker gehalten, auch für diese Medikamente das preisgünstigste Angebot auszuwählen?
Koch: Es geht nicht unbedingt um das preisgünstigste, sondern um das Arzneimittel, für das die entsprechende Kasse des Patienten mit dem Hersteller einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Das kann ein Generikum (Nachahmerprodukt, Anm. der Red.)oder ein Originalpräparat sein. Das Problem für den Patienten ist, dass er nicht sein gewohntes, sondern jeweils ein anderes Mittel erhält.
Und was ist daran so schlimm?
Koch: Es dauert in der Therapie Wochen, manchmal Monate, bis der Schmerztherapeut für seinen Patienten das richtige Medikament und die richtige Dosierung ermittelt hat, weil jeder Mensch auf diese Medikamente schon aufgrund seiner genetischen Ausstattung anders reagiert. Jede Umstellung ist daher problematisch, je häufiger desto schlimmer. Hinzu kommt, dass Inhalt und Menge der Substanzen je nach Medikament zwischen 80 und 120 Prozent schwanken dürfen. Eine fatale Angelegenheit für Schmerzpatienten, die auf Arzneien mit Betäubungsmitteln angewiesen sind.
Welche Beobachtungen konnten Sie bei Patienten nach solchen Umstellungen machen?
Koch:Ein Vorstandsmitglied unserer Schmerzliga zum Beispiel wurde in relativ kurzer Zeit fünf mal auf ein neues Medikament umgestellt. Der Mann konnte danach nicht mehr aus den Augen gucken, war absolut arbeitsunfähig und litt unter großen Schmerzen.
Aber es heißt doch immer, dass in den „Ausweich“-Medikamenten und Generika die selben Wirkstoffe und Dosierungen wie im Original vorhanden sind. Ist das eine Lüge?
Koch: Auf dem Papier haben die Medikamente den gleichen Wirkstoff und die gleiche Dosierung, aber Zusatzstoffe und Zubereitung der Medikamente sind anders. Entscheidend ist ebenso, wann und wo die Wirkstoffe im Körper freigesetzt werden und die Bioverfügbarkeit, also die Art und Weise, wie die Medikamente in den Blutstrom und zum Zielorgan gelangen.
Dann kann ich als Patient doch vom Arzt verlangen, dass er auf das Rezept das berühmte Kreuzchen vor das Medikament setzt, damit ich das Original und nicht die Austauscharznei erhalte?
Koch:Das können Ärzte, und vor allem wenn es Schmerztherapeuten sind, die im Quartal vielleicht hundert solcher Patienten haben, gar nicht verantworten, denn sie müssen entweder die Zusatzkosten selber tragen, riskieren eine Wirtschaftlichkeitskontrolle oder erhalten Regressforderungen.
Und was ist, wenn ich als Patient auf dem bisherigen Medikament bestehe und die Zusatzkosten selber trage?
Koch: Dann haben wird die Zwei-Klassen-Medizin, weil sich nur die Betuchten so etwas leisten können und alle anderen nicht.
Wird nur in Deutschland dieser rigorose Sparkurs gefahren?
Koch:Im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern und der Schweiz haben wir den Vorteil, dass die Kosten für notwendige Medikamente voll übernommen werden. Das ist ein großes Privileg und wir haben keinen Grund zu jammern. Ich strebe auch keinen Präzedenzfall für eine spezielle Gruppe von Patienten an, aber hier machen die Einsparungen bei den Medikamenten keinen Sinn, weil die Folgekosten durch mehr Arztbesuche, gesundheitliche Komplikationen und Arbeitsausfälle viel höher sind.Ich hoffe, dass die Verantwortlichen in der Regierung das verstanden haben.