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Interview mit AfD-Gründer Konrad Adam Interview mit AfD-Gründer Konrad Adam: "Lucke glaubte alle Welt über alles Mögliche belehren zu müssen"

Von Christian Bommarius 10.07.2015, 12:33
Konrad Adam bei AfD-Parteitag Anfang 2015 in Bremen.
Konrad Adam bei AfD-Parteitag Anfang 2015 in Bremen. imago/Gerhard Leber Lizenz

AfD-Sprecher Bernd Lucke hat seinen Austritt aus der Partei angekündigt, Hunderte Mitglieder, vor allem Parteifunktionäre, schließen sich ihm an – und auch Sie haben nach dem vergangenen Parteitag mitgeteilt, einen Austritt zumindest in Erwägung zu ziehen. Haben Sie inzwischen eine Entscheidung getroffen?

Konrad Adam: Nein. Ich werde abwarten und der Parteiführung die Chance geben, um die sie selbst gebeten hat. Aber ich bin skeptisch, dass es ihr gelingt, die Geister, die sie in Essen so erfolgreich mobilisiert hatte, wieder zur Ruhe zu bringen. Das Verhalten Albrecht Glasers, Vizesprecher im neuen Vorstand, der Bernd Lucke nach dessen Abwahl Schmähworte hinterherrief, ihn einen Demagogen und autoritären Charakter nannte, zeigt doch zur Genüge, dass die Schlammschlacht weitergeht. An der werde ich mich nicht beteiligen.

Sie haben Petry gewarnt, sie werde die Geister, die sie rufe, nicht mehr los, das meint unter anderem die Anhänger der Pegida. Aber muss diesen Vorwurf, die Geister gerufen zu haben, nicht zuallererst Bernd Lucke gegen sich gelten lassen? Hat nicht er mit ausländerfeindlichen und islamophoben Ressentiments im Wahlkampf gespielt und ganz gezielt aus diesem Milieu Wählerstimmen zu gewinnen versucht . Und war es nicht schließlich dieser Geist, dieser Ungeist, an dem er jetzt gescheitert ist?

Konrad Adam (73) war einer der Gründer der Alternative für Deutschland (AfD). Der Journalist arbeitete von 1979 bis 2000 als Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, anschließend als Chefkorrespondent und Kolumnist der Welt. Von April 2013 bis Juli 2015 war er einer von drei Bundessprechern der AfD.

Adam: Natürlich hat Bernd Lucke um Wählerstimmen geworben, gelegentlich auch mit fragwürdigen Parolen. Aber welcher Politiker tut das denn nicht? Zumal dann, wenn er einer Neugründung zum Durchbruch verhelfen will? Lucke ist aber nie so weit gegangen wie Pretzell (Marcus Pretzel, Landesvorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen, Anm. d.Red.), der die AfD unter dem Jubel seiner Anhänger kurzerhand zur Pegida-Partei ausgerufen hat. Gescheitert ist Lucke nicht am Kokettieren mit radikalen Aussagen, sondern an seiner professoralen Attitüde. Er glaubte, alle Welt über alles Mögliche belehren zu müssen, und verwechselte eine Vorstandssitzung mit einer Seminarveranstaltung. Das hat die Zusammenarbeit von Anfang an schwierig, am Ende unmöglich gemacht.

Sie waren einer der Gründer der AfD und bis zum vergangenen Parteitag einer ihrer Sprecher. Sie haben die Partei noch kürzlich liebevoll als Ihr „Baby“ bezeichnet. Offenbar wird diese Vaterliebe nicht mehr erwidert. Sie sind mit Ihrer Kandidatur in den Bundesvorstand gescheitert. Eine schärfere Zurückweisung ist kaum denkbar. Was wollen Sie noch in der AfD?

Adam: Ja, die AfD war auch mein Baby, denn die Auftaktveranstaltung im März 2013, die der damals noch ganz jungen und völlig unbekannten Partei auf einen Schlag Aufmerksamkeit und Zulauf verschaffte, war mein Werk. Ich hatte Starbatty, Gauland und Beatrix von Storch eingeladen; Lucke und Petry stießen erst später dazu. Als gut zwei Jahre später der Konflikt zwischen den beiden eskalierte, habe ich eine Zeitlang versucht, eine neutrale, vermittelnde Position einzunehmen. Das ist nicht honoriert worden, von beiden Seiten nicht - und auf seine Art der beste Beweis dafür, dass sich die Mitte, für die ich nach wie vor stehe, nach zwei Seiten hin abgrenzen muss: gegen die Marktradikalen, die Politik auf Wirtschaft reduzieren wollen, und gegen die Rechtsausleger, die glauben, revolutionäre Gedanken in bürgerlichen Formen unters Volk bringen zu können.

Sie selbst standen, auch in Ihrer langen Karriere als Journalist, immer für eine konservative Haltung. Und Sie sind in den vergangenen Jahren immer wieder als scharfer Islamkritiker hervorgetreten. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Adam: Was Sie Islamkritik nennen, richtet sich keineswegs gegen eine Religion, die mir zwar fremd ist, deren Rituale ich aber respektiere, solange sie sich in den Grenzen der Verfassung halten. Kritisch bin ich vor allem gegen die Neumalklugen, die eine typisch abendländische Errungenschaft wie die Religionsfreiheit gedankenlos an den Islam verschenken wollen. Die Lehre von den zwei Reichen, dem himmlischen und dem irdischen, und ihre historische Konsequenz, die Gewaltenteilung, sind christlichen Ursprungs, im Islam findet sich nichts davon. Da ich die Gewaltenteilung als wirkungsvolles Instrument zur Verteidigung unserer bürgerlichen Freiheit schätze, zögere ich, sie einer Religion zugute zu halten, die andere Wurzeln hat und wenig mit ihr anfangen kann.

Wenn Sie die neue Führung der AfD bis zum Jahresende nicht überzeugen kann, stellt sich für Sie die Frage: wohin? Könnten Sie sich vorstellen, in eine von Lucke neu gegründeten Partei einzutreten?

Adam: Nein. Ich habe den Weckruf für einen Fehler gehalten, den schwersten, der Bernd Lucke unterlaufen ist. Tatsächlich spricht alles dafür, dass es der Weckruf war, der die Mitglieder gegen ihn aufgebracht und dazu bestimmt hat, ihn abzuwählen. Von den Erklärungen und Resolutionen, den Plattformen und Interessengemeinschaften halte ich nicht viel, das ist ideologische Vereinsmeierei, die mehr zerstört als bringt. Ich bin da nie beigetreten und  werde das auch in Zukunft nicht tun. In einer Partei zu bleiben, die den Grundsätzen des Demokratischen Zentralismus huldigt, kann ich mir aber auch nicht vorstellen. Ich warte ab.

Ist Luckes möglicherweise geplante Partei-Gründung „Neustart 2015“ eine ernsthafte Konkurrenz für die AfD oder ist nicht vielmehr im Namen das Verfallsdatum der Partei bestimmt?

Adam: Nach den turbulenten Ereignissen der letzte Wochen und Monate ist die Enttäuschung, die Müdigkeit, die Resignation unter den Mitgliedern, deren gewaltiger Einsatz so schlecht belohnt worden ist, groß. Die Austrittswelle, die die  AfD erfasst hat und die noch einige Zeit lang fortrollen dürfte, ist ein ziemlich sicheres Indiz dafür. Dass die selben Leute, die sich heute entmutigt abwenden, morgen dazu bereit sein könnten, sich in  das nächste Abenteuer dieser Art zu stürzen, halte ich für unwahrscheinlich. Alternative, Weckruf, Neustart usw.: das wird nicht ewig so weitergehen.    

Das Gespräch führte Christian Bommarius