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Integration von Einwanderern Integration von Einwanderern: Türkische Schulen sind nicht jedermanns Sache

11.02.2008, 14:03

Hamburg/dpa. - Nach der Warnung des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan vor zu großer Anpassung der in Deutschland lebenden Türken kocht die Integrationsdebatte wieder hoch. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Montag, «dass wir über das Integrationsverständnis auch mit dem türkischenMinisterpräsidenten noch weiter diskutieren müssen». Eine direkte Bewertung der Äußerungen Erdogans vermied Merkel. Auf überwiegend skeptische Reaktionen stieß seine Forderung, eigene türkische Schulen in Deutschland zu gründen.

Integration setze auch eine Bereitschaft voraus, sich in dieLebensweise eines Landes einzufinden, sagte Merkel nach einerPräsidiumssitzung in Hamburg. «Das heißt nicht, dass sie nicht ihren eigenen kulturellen Hintergrund haben können, aber die Loyalität gehört dann dem deutschen Staat.» Erdogan hatte vor rund 16 000 überwiegend türkischen Zuhörern am Sonntag in Köln vor einer Assimilierung gewarnt.

Die Kanzlerin betonte, bei Problemen türkischstämmiger jungerLeute in Deutschland «bin ich ihre Bundeskanzlerin». Sie seiengenauso wichtig wie jeder, «der sich schon seit 500 Jahren alsdeutschstämmig bezeichnet». Bayerns Europaminister Markus Söder (CSU)sagte der «Welt» (Dienstag), Erdogan wolle den EU-Beitritt mit Druckder Straße durchsetzen. Mit seinen Äußerungen peile Erdogan womöglichauch eine türkische Partei in Deutschland an. FDP-GeneralsekretärDirk Niebel sagte: «Das war kein Signal für Integration, sondern fürEigenständigkeit.»

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warnte in n-tv davor, jedes Wortauf die Goldwaage zu legen. Erdogans Partei AKP fahre einen klugenKurs bei der Annäherung an Europa. Der Generalsekretär desZentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman A. Mayzek, sagte derDeutschen Presse-Agentur dpa, Erdogan und seine Regierung hättenerkannt, dass es bei den in Deutschland lebenden Türken einpolitisches Vakuum gebe und träten nun als Schutzmacht auf. MehmetDaimagüler, Ehrenvorsitzender der Liberalen Türkisch-DeutschenVereinigung, sagte in den «Stuttgarter Nachrichten»: «Ich zweifele ander Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft.»

Auf überwiegende Ablehnung stießen Erdogans Vorstoß fürtürkischsprachige Schulen und türkische Lehrer in Deutschland. Merkeläußerte Bedenken gegen den Einsatz von Lehrern aus der Türkei fürhier lebende türkischstämmige Menschen. Sinnvoller sei der EinsatzTürkischstämmiger aus Deutschland. Die Integrationsbeauftragte MariaBöhmer (CDU) sagte der dpa: «Deutsch ist das einigende Band. DieParole lautet: Lasst sie alle in eine Schule gehen.»

Nach Ansicht von SPD-Chef Kurt Beck führt Erdogans Vorschlag «indie falsche Richtung». Die Ausweitung von zweisprachigen oderreligiösen Angeboten für türkischstämmige Schüler könne geprüftwerden, aber «eigene Einrichtungen» wolle die SPD nicht.Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, deutsche Sprachkenntnisseund die Akzeptanz des deutschen Rechts seien «Grundvoraussetzungen»für Integration.

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sagte, wennausländische Jugendliche Deutsch gelernt hätten, könnten sie anSchulen die türkische Kultur und Literatur auch auf Türkisch pflegen.Grünen-Chefin Claudia Roth meinte, angesichts von 120 deutschenSchulen und 1700 deutschen Lehrern im Ausland und zahlreichenzweisprachigen Gymnasien mit Englisch und Französisch hier sprechenichts gegen zweisprachige Schulen mit Deutsch und Türkisch.