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INNENPOLITIK 2002 Parteienlandschaft INNENPOLITIK 2002 Parteienlandschaft: Für die FDP ein «rabenschwarzes Jahr»

16.12.2002, 07:02
Die Eskapaden des Jürgen Möllemann wurden zunehmend zu einer Bedrohung für den FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle. (Foto: dpa)
Die Eskapaden des Jürgen Möllemann wurden zunehmend zu einer Bedrohung für den FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Berlin/dpa. - Beflügelt von diesem Wahlergebnis entschloss sich ParteichefGuido Westerwelle (40) zu einem Schritt, den er vorher als «Übermut»abgelehnt hatte: Er ließ sich auf dem Mannheimer Parteitag im Maizum FDP-Kanzlerkandidaten küren. In einem beispiellosenBegeisterungstaumel wurde Westerwelle von den rund 600 Delegierteneinstimmig nominiert. Damit hatte die FDP alle drei von Möllemannerfundenen Wahlziele übernommen: Keine Koalitionsaussage, dieehrgeizige 18-Prozent-Marke und der eigene Kanzlerkandidat.

In den Wahlumfragen erreichte die FDP mit bis zu 12 Prozentdamals einen Zenit, doch da bahnte sich schon das erste Desaster an:die von Möllemann ausgelöste Antisemitismus-Debatte mit seinenAttacken auf Michel Friedman vom Zentralrat der Juden. Westerwellezögerte auch noch, als Möllemann den mit antisemitischen Tiradenaufgefallenen ehemaligen Grünen-Abgeordneten Jamal Karsli NRW-Landtagsfraktion holte. Das sei eindeutig sein Fehler gewesen, räumtder Parteichef heute ein, der damals zunächst den Konflikt mit demellenbogenstarken NRW-FDP-Chef gescheut hatte.

Doch dann rang sich Westerwelle doch zu einem Ultimatum durch:Karsli verließ die Fraktion, Möllemann entschuldigte sich halbherzigbei den «jüdischen Mitbürgern», der Bundesvorstand missbilligte seinVerhalten. Westerwelle hoffte, dass schnell Gras über die Affärewachsen würde und tourte mit seinem Wahlkampf-Großfahrzeug«Guidomobil» durch die Lande. Dabei liefen wichtige Themen an derFDP vorbei, wie die Hochwasserkatastrophe und die angstvolleDiskussion über einen möglichen neuen Irak-Krieg. Westerwelle zogstattdessen vor das Bundesverfassungsgericht und erlitt einepeinliche Niederlage mit seiner Forderung, als Kanzlerkandidat anden Fernsehduellen von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) undUnionsherausforderer Edmund Stoiber (CSU) beteiligt zu werden.

Die Umfragewerte der FDP sanken. Dann platzte wenige Tagevor der Bundestagswahl (FDP-Ergebnis: enttäuschende 7,4 Prozent) diezweite Möllemann-Bombe: Ohne Absprache mit der Partei hatte er inNordrhein-Westfalen auf eigene Kappe in Millionauflage ein Flugblattmit Kritik an Friedman und dem israelischen Ministerpräsidenten ArielScharon versenden lassen. Zudem wurden unter seiner Verantwortunggravierende Finanz-Verstöße in Millionenhöhe gegen die Vorschriftendes Parteiengesetzes festgestellt. Auch die Staatsanwaltschaftermittelt inzwischen.

Westerwelle reagierte diesmal schnell und hart: Zuerst betrieb ernoch am Wahlabend Möllemanns Ablösung als Bundes-Vize, dann als NRW-Landes-und Fraktionschef. Auch aus den FDP-Fraktionen im NRW-Landtagwie im Bundestag und sogar ganz aus der Partei soll Möllemann, dersich seit Oktober wegen Herzbeschwerden krank gemeldet hat,ausgeschlossen werden. Dabei ist ein Parteiausschluss rechtlichbesonders schwierig und kann sich über Monate hinziehen.

Damit dürfte Westerwelle auch bei den Landtagswahlen am 2.Februar in Niedersachsen und Hessen noch mit dem Thema Möllemannkämpfen. Und dieser, so fürchten die Liberalen, ist immer für mehroder weniger erfreuliche Überraschungen gut. Nach den Umfragen istdie FDP jetzt wieder in der Zitterpartie-Situation um fünf Prozent.Gehen die Wahlen verloren, dann dürfte auch Westerwelle, der bishervon den Führungsgremien der Bundespartei noch voll unterstützt wird,stärker in die Kritik geraten.