Impfpflicht für Pflegekräfte? Impfpflicht für Pflegekräfte?: Warum Fachverbände das ablehnen

Berlin - Die vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ins Gespräch gebrachte Impfpflicht für Pflegekräfte in Alten- und Pflegeheimen stoßen bei den Koalitionsparteien im Bund, der Opposition und Verbänden aus dem Gesundheitsbereich auf einhellige Ablehnung.
„Eine Impfpflicht sehe ich aus mehreren Gründen als falsch an. Die derzeitigen Zahlen der Impfbereitschaft von Pflegekräften sind nicht repräsentativ“, sagte beispielsweise der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der MZ. „Wir müssen vorsichtig sein, an dieser Stelle nicht ein Problem herbeizurufen, das es noch nicht gibt“, betonte er. Vor Ort bekomme man mit, dass bei den Pflegekräften die Impfbereitschaft vorhanden sei.
Außerdem habe die Politik versprochen, keine Impfpflicht einzuführen, daran sollte man sich nun auch halten, so Lauterbach. Zudem „würde eine breite Diskussion über die Impfpflicht entstehen, die toxisch wäre“. Problematisch würde es auch werden, wenn Pflegekräfte trotz der Pflicht eine Impfung verweigerten, gab der SPD-Politiker zu bedenken. „Im Endeffekt können wir auf keine Pflegekraft verzichten“, betonte Lauterbach. Deshalb sei eine solche Pflicht “nicht zu Ende gedacht“.
Keine belastbaren Zahlen
Söder hatte erklärt, es gebe „unter Pflegekräften in Alten- und Pflegeheimen eine zu hohe Impfverweigerung“. Der deutsche Ethikrat solle deshalb Vorschläge machen, „ob und für welche Gruppen eine Impfpflicht denkbar wäre“, sagte der CSU-Chef der „Süddeutschen Zeitung“. Er fügte hinzu: „Sich impfen zu lassen, sollte als Bürgerpflicht angesehen werden.“
Der Präsident des Deutschen Pflegerats, Franz Wagner, äußerte sich ablehnend. „Deutschlands Pflegefachpersonen benötigen keine Impfpflicht gegen das Coronavirus. Zwang schafft keine guten Lösungen“, erklärte er. Belastbare Zahlen zu Impfquoten beziehungsweise zu einer Impfverweigerung in den Pflege- und Gesundheitsberufen gebe es nicht, betonte er.
Er sprach von einem „politischen Ablenkungsmanöver“, da die Ungeduld bezüglich der Umsetzung und Organisation der Impfungen in der Bevölkerung wachse. „Statt überfälliger und ausbleibender Anerkennung darf die Berufsgruppe jetzt nicht pauschal zum Buhmann herabgewürdigt werden“, warnte Wagner.
Arbeitgeberverband: Söders Äußerung ist populistisch
Der Arbeitgeberverband Pflege schloss sich der Kritik an. Vizepräsident Friedhelm Fiedler sprach von einer „populistischen Äußerung“ Söders, um die Stammtische zu bedienen. „Wir setzen auf die Freiwilligkeit, was bei unseren Mitgliedseinrichtungen bisher gut funktioniert“, sagt er. Es gebe gute Gründe, sich als Pflegekraft impfen zu lassen. Es sei Aufgabe der Leitungskräfte in den Pflegeeinrichtungen, weiter Überzeugungsarbeit zu leisten.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht ebenso keinen Bedarf für eine Impfpflicht für das Pflegepersonal. DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum sagte, sowohl bei dem medizinischen als auch bei dem pflegerischen Personal in den Kliniken gebe es eine sehr hohe Impfbereitschaft. „Besonders hoch ist sie in den Abteilungen, in denen Mitarbeiter mit der Versorgung von Covid-Patienten zu tun haben und damit auch die gravierenden Auswirkungen dieser Krankheit tagtäglich erleben“, betonte er. Wo es Zurückhaltung gebe, handele es sich in der Regel nicht um eine generelle Ablehnung, sondern um Unsicherheit.
Mit gutem Beispiel voran
Der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sprach ebenso von einer Verunsicherung in der Bevölkerung und forderte daher mehr Aufklärung. Eine Überzeugung, die aus klaren und transparenten Informationen erwachse, sei durch Zwang nicht ersetzbar, so Weigeldt.
FDP-Vizefraktionschef Stephan Thomae warnte vor negativen Folgen einer Impfpflicht. „Wenn schon medizinisch geschultes und sensibilisiertes Personal in Medizin- und Pflegeberufen gezwungen werden muss, sich impfen zu lassen, ist das Wasser auf die Mühlen der Impfgegner“, sagte er. Nötig sei, an die Vorbildfunktion der Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zu appellieren und sie von der Sinnhaftigkeit der Impfung zu überzeugen. CDU-Vorsitz-Kandidat Friedrich Merz äußerte sich ähnlich: „Wir werden einen hohen Anteil der Bevölkerung brauchen, der geimpft ist. Wichtig ist in der Debatte vor allem das gute Vorbild.“ (mz)