Immobilien Immobilien: «Russen-Erbe» macht mehr Frust als Freude

Potsdam/dpa. - Mitte der 1990-er Jahre hatten nach fast einem halben Jahrhundert dieletzten russischen Soldaten Deutschland verlassen. IhreHinterlassenschaften bereiten den neuen Ländern mehr Frust alsFreude.
Zu DDR-Zeiten blieb für den Normalsterblichen der Blick in eine sowjetische Kaserne versperrt. Was sich hinter bonbonrosa oder giftgrün gestrichenen Mauern abspielte, war strengabgeschirmt. Die Wende in der DDR öffnete auch diese Tore und den Weg zum Abzug der Streitkräfte, der 1994 beendet war. Zurück blieb ein bislang unbekanntes Terrain. Langfristig sollte es für eine zivile Nutzung hergerichtet werden - so zumindest die Vision. Entstanden sind Naturschutzparks, Gewerbegebiete, Wohnanlagen, Solarparks - aber einige Träume sind auch zerstoben.
Mit der Dimension der Mammutaufgabe hatte niemand in seinenschlimmsten Träumen gerechnet: verseuchte Böden, versickerndes Altöl, vor sich hingammelnde Panzerwracks, im Boden vergessene Munition oder verfallene Kasernengebäude. Mit einer großen Aufräumaktion war es nicht getan. In Brandenburg wurden bislang 2,5 Millionen Liter Kerosin, 30 Tonnen Lösungsmittel und 320 000 Tonnen Abfälle entsorgt. Außerdem wurden 220 000 Tonnen Boden saniert.
Offiziell hatte die Sowjetarmee rund 1500 Liegenschaften mit einer Fläche von 290 000 Hektar der DDR in ihren Händen. 337 800 Soldaten und 208 400 Zivilangestellte und ihre Familienangehörige lebten hier. Vor allem Brandenburg war betroffen: 1989 wurden acht Prozent der Landesfläche - mit rund 230 000 Hektar etwa so groß wie das Saarland - militärisch genutzt. 1992 gab es allein in Brandenburg 15 Flugplätze, 21 Truppenübungsplätze und 15 größere Schießplätze.
Von den rund 100 000 Hektar, die das Land 1994 vom Bund übernommen hatte, sollen 93 Prozent zivil genutzt werden, sagt Landes-Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke). Von 2007 bis 2013 sind dafür 21 Millionen Euro EU-Fördermittel eingeplant.
Auf ehemaligen Militärliegenschaften wurden Flächen fürTechnologie-, Gründer- oder Behördenzentren, Unis, Fachhochschulen oder zivile Heilstätten bereitgestellt. Es entstanden und entstehen Natur- und Landschaftsschutzgebiete - nachdem Wege für Wanderer oder Radfahrer von Munition beseitigt wurden.
Derzeit sind Konversionsflächen vor allem gefragt, um Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie aufzustellen - so auf demehemaligen Truppenübungsplatz Lieberose. Damit werde deutlich, dass sich die Konversion in den Dienst des allgemeinen Strukturwandels stelle, betont Wirtschaftsminister Christoffers.
Die Bürgermeisterin von Zossen im brandenburgischen LandkreisTeltow-Flämig, Michaela Schreiber (parteilos), ist mit ihrem «Russen-Erbe» noch nicht so recht froh. Im Ortsteil Wünsdorf war einst der Sitz des Oberkommandos der Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte. «Alle hatten geglaubt, hier entsteht nach dem Abzug etwas Riesengroßes», erinnert sie sich. Landesbehörden sollten hierher ziehen und neue Bürger bringen. Einiges passierte. Doch nun steht fast die Hälfte der Flächen immer noch frei. «Man hätte sich auf ein, zwei Projekte konzentrieren müssen», sagt sie.
Eine besondere Aufgabe für den Wechsel von militärischer zuziviler Nutzung steht nun dem ehemaligen Truppenübungsplatz Kyritz-Ruppiner Heide («Bombodrom») bevor. Wirtschaftsminister Christoffers favorisiert ein Konzept der gesamten Region. An manchen Orten im Land erobert sich die Natur die Militärflächen zurück: so weiden in der Döberitzer Heide vor den Toren Berlins Wisente und Przewalski-Pferde im Heinz-Sielmann-Wildnispark. Wünsdorf hofft auch auf eine neue Chance für noch öde Russen-Flächen: der neue Großflughafen Berlin-Schönefeld liegt so nah, dass Mitarbeiter hier schön im Grünen wohnen können. Aber so fern, dass vom Fluglärm nichts zu spüren ist.
