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Immer mehr Erwerbstätige trotz Job armutsgefährdet

15.01.2009, 14:36

Nürnberg/dpa. - Immer mehr Menschen in Deutschland droht einer Studie zufolge trotz eines Vollzeitjobs das Abrutschen in Armut. Ihr Anteil habe sich zwischen 1999 und 2005 von drei auf sechs Prozent erhöht, berichtete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Im Jahr 2006 sei der Anteil der von Armut gefährdeten Vollzeiterwerbstätigen zwar wieder auf fünf Prozent gesunken. «Durch die Folgen der Finanzkrise ist dieser Rückgang aber wieder gefährdet», befürchten die Nürnberger Arbeitsmarktforscher laut Mitteilung.

Für die Zunahme der Niedrigeinkommen seit Ende der 90er Jahre sei unter anderem die sinkende Tarifbindung verantwortlich. Nur noch etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten werde heute von Flächentarifverträgen erfasst. Mitte der 90er Jahre seien es noch rund zwei Drittel gewesen. Zudem hätten sich als Folge der Globalisierung die Arbeitsmarktchancen für Geringqualifizierte ohne berufliche oder schulische Ausbildung verschlechtert, betonte das IAB.

Dennoch könne trotz dieser wachsenden Armutsbedrohung von Männern und Frauen mit Vollzeitjob noch nicht von US-amerikanischen Verhältnissen gesprochen werden - «eher von einem in beiden Ländern gemeinsamen Trend zum allmählichen Anstieg der Erwerbsarmut», geben die Arbeitsmarktforscher zu bedenken. In den USA lag der Anteil der Armutsgefährdeten unter den Vollzeit-Erwerbstätigen zwischen 1999 und 2005 über zehn Prozent. In Deutschland würden Beschäftigte mit geringem Einkommen durch staatliche Unterstützung stärker als in den USA vor Armut geschützt.

Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens bezieht. In Deutschland seien dies für einen Alleinstehenden 837 Euro, für ein Paar mit zwei Kindern 1758 Euro monatlich.

Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) belegt die IAB-Studie, wie dringend erforderlich Mindestlöhne nicht unter 7,50 Euro pro Stunde seien. Es dürften nicht noch mehr Arbeitskräfte «in den Sog nicht existenzsichernder Arbeit gezogen werden», betonte DGB- Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Dies gelte insbesondere für die Leiharbeit, wo jeder achte Arbeitnehmer von Vollzeitarbeit nicht leben könne und auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen angewiesen sei.

Die Grünen im Bundestag sehen in der IAB-Studie ein Armutszeugnis für die schwarz-rote Koalition, deren Untätigkeit sich nun räche. Daran ändere auch das Konjunkturpaket II nichts. Auch die vereinbarte Aufnahme weiterer Branchen ins Arbeitnehmerentsendegesetz und die Minimallösung für die Zeitarbeit schüfen keine Abhilfe. Deutschland brauche Mindestlöhne für alle Branchen. Zudem müsse die Abgabenlast für kleine Einkommen spürbar gesenkt werden, forderte die Grünen- Abgeordnete Brigitte Pothmer.