Im Gefängnis wird's voll Im Gefängnis wird's voll: Sachsen-Anhalt droht ein Platzproblem

Halle (Saale) - Die Zahl der Häftlinge in Sachsen-Anhalt ist im vergangenen Jahr um 149 auf 1.746 Gefangene gestiegen - das entspricht einem Plus von rund zehn Prozent. Das geht aus einer Statistik des Landesjustizministeriums hervor. Es geht auch für die kommenden Jahre von hohen Häftlingszahlen aus: „Seit 2019 lässt sich eine Trendwende beobachten. Wir rechnen mit einer Durchschnittsbelegung von 1.700 bis 1.800 Gefangenen im Jahr“, so Ministeriumssprecher Detlef Thiel auf MZ-Anfrage.
Die steigenden Zahlen lassen den Aussagen zufolge jedoch keine Rückschlüsse auf einen Zusammenhang mit einer steigenden Kriminalitätsrate zu. Im Gegenteil. Vielmehr führt das Ministerium diese Entwicklung auf eine effektivere Ermittlungsarbeit zurück. „Zum einen wurden mehr Polizeikräfte eingestellt. Zum anderen hat sich aber auch die Qualität der Arbeit stetig verbessert“, so Thiel. Deshalb hätten mehr Haftbefehle vollstreckt werden können. Aktuell sind in Sachsen-Anhalt 2.111 Haftbefehle offen/nicht vollstreckt.
Im Land gibt es vier Justizvollzugsanstalten (JVA) mit insgesamt 1.943 Haftplätzen. Es könnte nun also bei steigenden Häftlingszahlen eng werden. „Die Anstalten sind aktuell sehr ausgelastet. Noch lässt sich dies aber kompensieren“, sagte Thiel. Die JVA Halle und die JVA Burg haben derzeit eine Gesamtauslastung von über 90 Prozent. Im Detail: Die JVA Burg hat im Strafvollzug für männliche Inhaftierte derzeit eine Auslastung von 102 Prozent. Die U-Haft sogar eine Auslastung von 115 Prozent.
Haftanstalten: Neue Vorgaben und steigenden Häftlingszahlen verschärfen Platzproblem
Auch die weibliche Strafhaft und U-Haft sowie der offene Vollzug für Männer in der JVA Halle haben eine 100-prozentige Auslastung. In der Praxis gestaltet sich das unproblematisch. Es bestehe jederzeit die Möglichkeit, Strafgefangene innerhalb Sachsen-Anhalts zu verlegen, so Thiel. Zusätzlich können innerhalb der Haftanstalten die Gefangenen auf anderen Vollzugsabteilungen verteilt werden. Die Jugendhaftanstalt Raßnitz (Saalekreis) verfügt im Moment noch über recht gute Kapazitäten. Die Auslastung beträgt hier 76 Prozent.
Ein Platzproblem könnte aber in Zukunft nicht nur durch die steigenden Häftlingszahlen, sondern auch durch die neuen Landesvorgaben für Gefängnisse entstehen. Demnach soll ab 2025 jeder Gefangene Anspruch auf eine mindestens neun Quadratmeter große Einzelzelle haben. Das kann derzeit nicht überall gewährleistet werden.
Abhilfe soll etwa der Gefängnisneubau im halleschen Stadtteil Frohe Zukunft schaffen. Geplant ist hier ab 2024 Platz für 600 Häftlinge. Bisher konnten in der JVA Frohe Zukunft lediglich 368 Gefangene untergebracht werden. Der zweite Standort in Halle, das Gefängnis „Roter Ochse“ mit 284 Haftplätzen, wird geschlossen. Diese Haftanstalt sei zu alt und entspreche nicht mehr den Standards, sagte Thiel. Am Standort Halle sinkt die Anzahl der Haftplätze von insgesamt 652 auf 600.
Die Opposition im sachsen-anhaltischen Landtag sieht akuten Handlungsbedarf. „Der Neubau muss dringend voran getrieben werden“, betont Eva von Angern, Vizechefin der Linksfraktion im Landtag. Doch aus dem Finanzministerium verlautet, dass mit einem Baubeginn frühestens 2021 zu rechnen ist. Die Kosten belaufen sich auf rund 200 Millionen Euro. Der Finanzausschuss des Landtages muss nun die benötigten Mittel prüfen. Der Bau soll bis 2025 fertig sein.
In Sachsen-Anhalt stehen 15 Abschiebehaftplätze bereit
Eva von Angern sieht jedoch enorme Probleme in der Finanzierung dieses Projektes. „Der Neubau in Halle wird teurer ausfallen, als ursprünglich vorgesehen. Es wurde keine Haushaltsvorsorge getroffen. Das Geld ist nicht vorhanden“, so von Angern.
Auch in Dessau gibt es Probleme. Die in der ehemaligen Justizvollzugsanstalt geplante Unterbringung von Abschiebehäftlingen kann erst in zwei Jahren erfolgen. Ursprünglich sollte 2019 dafür alles fertig sein. Geplant ist nun, die betroffenen Flüchtlinge in für die U-Haft vorgesehenen Bereichen unterzubringen. Dafür sollen die Gefängnisse in Halle und Burg sowie die Jugendarrestanstalt in Raßnitz genutzt werden. Insgesamt stehen 15 Abschiebehaftplätze bereit.
Bereits 2012 hatte die Landesregierung beschlossen, Gefangene an nur noch drei Standorten unterzubringen: in Burg, Halle und in der Jugendhaftanstalt Raßnitz. Durch den halleschen Neubau wird auch die JVA Volkstedt nicht mehr nötig sein.
Nach Informationen der Mitteldeutschen Zeitung ging Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) 2018 von einem Rückgang der Inhaftierungen aus. (mz)