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Extras beim Arzt IGeL-Monitor: Viele freiwillige Leistungen laut Kassen teuer und nutzlos

Von Stefan Sauer 16.02.2017, 19:57
Ärzte in weißen Kitteln. (Symbolbild)
Ärzte in weißen Kitteln. (Symbolbild) dpa-Zentralbild

Berlin - Es geht um durchblutungsfördernde Infusionen nach einem Hörsturz oder Ultraschalluntersuchungen zur Krebsfrüherkennung. Solche Leistungen bieten niedergelassene Ärzte in Deutschland Patienten mit dem Versprechen an, sich damit etwas besonders Gutes zu tun. Das eigentlich Besondere an  solchen Individuellen Gesundheitsleistungen ( IGeL) ist zweierlei. Erstens: Sie müssen von den Patienten selbst bezahlt werden, weil die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten nicht übernimmt. Dies geschieht, zweitens, aus gutem Grund. IGeL schaden offenbar in aller Regel mehr, als sie nutzen. Das jedenfalls legt der IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) nahe, der 45  unterschiedliche IGeL-Angebote gesichtet und aus fachlicher Sicht bewertet hat.

Die (un)beliebte Darmspülung

Danach werden die eingangs genannten sowie zwei weitere Gesundheitsleistungen eindeutig negativ beurteilt.  Die Colon-Hydro-Therapie genannte Darmspülung sei medizinisch nicht nur komplett nutzlos, sie führe vielmehr in Einzelfällen zu einer gefährlichen  Perforation des Verdauungsorgans.

Auch vom Ultraschall-Check der Eierstöcke rät der MDK wegen des hohen Anteils irrtümlicher Befunde ab, da wegen des  falschen Alarms unnötige Operationen oder anderweitig gesundheitsbelastende Therapien in die Wege geleitet würden.

16 weitere unnütze Behandlungen

Neben den fünf schädlichen Angeboten nennt der IGeL-Monitor 16 weitere Behandlungsangebote mit „tendenziell negativer“ Wirkung. Dazu zählen Augenspiegelungen und Augeninnendruckmessungen, Blutegeltherapien bei Kniearthrose und MRT-Untersuchungen zur Alzheimer-Früherkennung, Stoßwellenanwendungen gegen Sehnenreizungen (Tennisarm) und die Sauerstoff-Therapie nach einem Hörsturz.

Lediglich drei der 45 IGeL-Offerten wurden als „tendenziell positiv“ bewertet:  Bei der Akupunktur zur Migränevorbeugung, Lichttherapien zur Behandlung von saisonal auftretenden depressiven Störungen und der Stoßwellentherapie gegen Fersenschmerzen überwiege der – wenngleich bescheidene – Nutzen  den Schaden. Ein klares „Gut“ erhielt keine einzige geprüfte individuelle Gesundheitsleistung. Für die übrigen stellte der MDK fest, ihre Anwendung sei  nutzlos, gefährde aber immerhin nicht die Gesundheit.

Den Ärzten geht es ums Geld

Ihr Portemonnaie allerdings schon. Laut Umfragen bieten 52 Prozent der niedergelassenen Praxen IGeL an. Der damit erzielte Jahresumsatz liegt bei rund 1,3 Milliarden Euro. Für die Mediziner ein hübsches Zubrot, für die Patienten ein teures Vergnügen, aus fachlicher Sicht schlicht ein Ärgernis. Das empfinden offenbar auch viele Versicherte so. Tagtäglich informieren sich rund 2000 Menschen im Internet unter www.igel-monitor.de über den vermeintlichen und den tatsächlichen Nutzen der Offerten.

Die Frage ist, ob Information allein reicht. Ein Rückgang der IGeL-Angebote ist bisher nicht zu verzeichnen. Zwar widerspricht es ärztlichem Berufsethos, das Vertrauen von Patienten um der Mehrung eigener Gewinne willen zu missbrauchen. Aber die Verlockungen des Geldes sind offenbar zu groß. In einem ersten Schritt sollte der Verkauf medizinisch eindeutig negativ bewerteter Leistungen Ärzten untersagt werden. Anschließend könnte das Geschäft auf jene Leistungen beschränkt werden, die  tendenziell positive Wirkungen entfalten. Eine solche Liste wäre allerdings, Stand heute, ziemlich kurz.