Hunger in Äthiopien Hunger in Äthiopien: Elf Millionen Menschen hoffen jetzt auf Hilfe

Badosa Batala/dpa. - Der kleine Abdulkadir Ahmed ist zwar erst elf Jahre alt, doch er weiß schon genau, wie schwer sein Heimatland Äthiopien von der Dürre getroffen wurde. Er hört es von den Lehrern - und vor allem von seinem Bauch. «Mein Magen knurrt ständig», sagt der Schüler aus dem Dorf Badosa Batala, rund 130 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Addis Abeba. «Ich kann meinen Lehrern kaum aufmerksam folgen. Wir alle hören ständig auf unsere Bäuche.»
Mehr als elf Millionen Äthiopier haben derzeit die gleichen Sorgen wie Abdulkadir. So viele werden in diesem Jahr auf Lebensmittelhilfe angewiesen sein, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf der Vereinten Nationen, von Hilfsorganisationen und der äthiopischen Regierung. Die Zahl der Betroffenen ist heute größer als während der schlimmsten Hungersnot in der Geschichte des afrikanischen Landes in den Jahren 1984 und 1985.
Die derzeitige Dürre entstand durch den fast völlig ausgebliebenen Regen zwischen Juli und Oktober. Die Trockenheit dörrte auch Dörfer wie Badosa Batala in der Arsi-Region aus, in der die Bauern gewöhnlich sogar Überschüsse produzieren. Zu einer Zeit, in der die Getreidespeicher von der jüngsten Ernte gefüllt sein müssten, sind nun die Dorfbewohner auf Hilfe angewiesen - ohne Aussicht auf Regen bis zum März.
Die Dürre ist aber nur eine Ursache für die Hungersnot, berichten Entwicklungsexperten. Die jährlichen Regenfälle seien auch schon in der Vergangenheit ausgeblieben. Aber die Menschen könnten wegen der wachsenden Armut die Krise immer schlechter bewältigen. «Es ist nicht nur das Wetter», sagt Sam Vander Ende, der das äthiopische Büro der Canadian Foodgrains Bank betreibt. «Die Bevölkerung wird stetig ärmer und kann deshalb Rückschläge immer schlechter bewältigen.»
«Die eigentliche Ursache dieser Krise ist die derzeitige Armut», fügt auch Kifle Lemma, Koordinator für humanitäre Programme bei der englischen Hilfsorganisation Oxfam hinzu. Zudem dürfe ausländische Hilfe nicht nur dem Verhungern vorbeugen, sondern müsse auch generell die Entwicklung des Landes fördern.
Ein geschätztes jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 110 US-Dollar macht Äthiopien ähnlich arm wie vom Bürgerkrieg geschüttelte Staaten wie etwa Sierra Leone. Mehr als 85 Prozent der Äthiopier bestreiten ihren Lebensunterhalt mit der Landwirtschaft - oft mit Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende alten Techniken. Weniger als fünf Prozent des anbaufähigen Landes wird bewässert. Die Bevölkerung hat sich in den vergangenen 25 Jahren verdoppelt, die Produktivität des Landes gewann jedoch keinen Schwung. Deshalb sind fast fünf Millionen Äthiopier jedes Jahr auf Hilfe angewiesen - auch in Zeiten mit guten Ernten.
Die jetzige Dürre hat in Äthiopien noch nicht zu einer Hungersnot geführt, aber Experten machen bereits «Vor-Hungersnot-Bedingungen» aus - etwa zunehmende Unterernährung von Kindern und steigende Auswanderung. Manche Menschen essen mittlerweile Kaktusblätter oder eigentlich ungenießbare Beeren. Das Getreide wird immer teurer, während die Preise für Vieh zusammengebrochen sind. Viele verkaufen ihre Tiere, um etwas Geld zu verdienen und für kurze Zeit satt zu sein. Mit dem fehlenden Vieh setzen die Menschen aber auch ihre Zukunft aufs Spiel.
«Bei jeder Dürre geraten mehr und mehr Menschen in Not», sagt eine Sprecherin der US-Behörde für Internationale Entwicklung. Aus diesem Grund müssten die Hungrigen in den kommenden Monaten die Hilfe erhalten, bevor sie alles verkauft haben.
