Homo-Ehe Homo-Ehe: Vati Papa Kinder

Berlin/MZ. - Julius weiß, wie es sich anfühlt, wenn andere Kinder ihn aufziehen. Er hat zwei Papas. Das aber reizt die anderen Kinder nicht, den Jungen zu ärgern. „Mein Sohn wird manchmal gehänselt, nicht weil er schwule Väter hat oder weil er schwarz ist, sondern weil seine Nase immer läuft“, sagt Thomas Welter und lacht.
Der 44-jährige Volkswirt ist seit 2002 mit den Augenarzt Ingmar Zöller verheiratet. Die Männer sind seit 21 Jahren ein Paar und haben zwei Kinder, den achtjährigen Julius und die fünf Jahre alte Lucie. Streng genommen ist aber nur Thomas Welter Vater der beiden Kinder. Weil er in Elternzeit gehen konnte, hatten sie entschieden, dass er die Kinder adoptiert.
Wäre Thomas Welter mit einer Frau verheiratet, hätten sie die Elternschaft für den Jungen und das Mädchen gemeinsam übernehmen können. Er aber liebt einen Mann und noch ist Homosexuellen die gemeinschaftliche Adoption verwehrt. So wie es ihnen anders als Heterosexuellen auch nicht erlaubt ist, ein bereits vom Ehepartner angenommenes Kind zu adoptieren (Sukzessiv-Adoption).
Unverständnis bei Betroffenen
Julius und Lucie stört das nicht. Zu Thomas Welter sagen sie Vati und zu Ingmar Zöller Papa. Der Augenarzt aber hat nur das kleine Sorgerecht. „Wenn mir etwas passiert, sind die beiden Waisen“, empört sich daher Thomas Welter. Im Falle einer Trennung hätte Ingmar Zöller kaum Rechte, er müsste mühsam um die Kinder kämpfen.
Thomas Welter will es deshalb nicht in den Sinn, warum in einer Homo-Ehe nur die leiblichen Kinder des Lebenspartners adoptiert werden können. Diese Ungleichbehandlung hat auch den Bundesverfassungsrichtern im vergangenen Dezember nicht einleuchten wollen. Bei der Verhandlung über die Klagen eines schwulen und eines lesbischen Paares gegen das Verbot von Sukzessiv-Adoptionen zeigte der Erste Senat deutliches Unverständnis über die geltende Regelung.
Wie soll man auch begründen, dass das leibliche Kind eines Homosexuellen zwei rechtliche Väter oder Mütter haben kann, sein adoptiertes Kind dagegen nur ein offizielles Elternteil haben darf? Und wie könnte es das Kindeswohl beeinträchtigen, wenn der zweite Papa, der das Kind gemeinsam mit seinem Mann groß zieht, der es pflegt, wenn es krank ist, es morgens zur Schule bringt, auch die rechtliche Elternschaft erhält?
Die Fachleute waren sich bei der Verhandlung in Karlsruhe einig: Das Verbot der stufenweisen Adoption für eingetragene Lebenspartnerschaften ist nicht zu halten. „Es kann doch nicht sein, dass wir konservativer als das katholische Spanien sind, das homosexuellen Paaren die Adoption erlaubt“, sagt Thomas Welter.
27 000 Homo-Ehen gibt es inzwischen in Deutschland, etwa 7 000 bis 9 000 Kinder wachsen in Regenbogenfamilien auf. Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern sind nicht mehr exotisch. Mit seiner Warnung, den Adoptierten drohten Diskriminierungen, stand der Präsident des Deutschen Familienverbandes (DFV), Klaus Zeh, in der Verhandlung in Karlsruhe denn auch völlig allein.
Der Tenor in der ungewöhnlich kurzen Verhandlung war einhellig: Wenn auch der Lebenspartner das adoptierte Kind rechtlich annehmen kann, schafft das vor allem Sicherheit für das Kind, rechtlich wie emotional. Das hat auch 2009 eine Studie zu homosexuellen Eltern im Auftrag des Bundesjustizministeriums gezeigt, die zu dem Ergebnis kam: „Da, wo Kinder geliebt werden, wachsen sie gut auf.“ Für die Wissenschaftler war das Kindeswohl in Regenbogenfamilien genauso gewahrt wie in anderen Familienformen. Wenn es Diskriminierungen gäbe, würden diese von den Kindern gut verarbeitet, da sie vor allem durch die elterliche Zuwendung und Erziehung aufgefangen würden.
Für den Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) hat das Urteil morgen weitreichende Folgen. „Wenn Karlsruhe die Sukzessiv-Adoption für Schwule und Lesben zulässt, ist das Problem des Verbots der gemeinschaftlichen Adoption praktisch gelöst“, sagt Vorstand Manfred Bruns.
Elternschaft nacheinander
Zwar kann ein homosexuelles Paar dann immer noch nicht gemeinsam ein Kind adoptieren, darüber wird Karlsruhe wahrscheinlich erst in einigen Jahren entscheiden. Eine Klage wird gerade in Berlin vorbereitet. Aber die beiden Väter oder Mütter können die Elternschaft künftig einfach nacheinander übernehmen. Sie haben mehr Aufwand als ein Ehepaar, aber das Ergebnis dasselbe. Wie schon beim Steuer- und Beamtenrecht hätte Karlsruhe der Politik dann auch beim Familienrecht die Gleichstellung von Homosexuellen aufgezwungen.
Für die Union, die die Öffnung der Ehe als einzige Partei kategorisch ablehnt und deren Nein zum Adoptionsrecht für Homopaare als letztes großes identitätsstiftendes Zugeständnis an die Konservativen in CDU und CSU herhalten muss, wäre dies eine weitere Niederlage.
Für Thomas Welter und Ingmar Zöller ist es dagegen ein Grund, eine große Party zu schmeißen. „Und dann gehen wir zum Jugendamt und Ingmar beantragt die Adoption.“