Hitler war nicht in der SED Hitler war nicht in der SED: "Schüler wissen sehr wenig über die DDR"

Berlin - Das Cover des Buches versucht es mit Humor. Da sagt ein Schüler: „Hitlers größte Leistung war, dass er als SED-Vorsitzender das Grundgesetz für ganz Deutschland beschlossen hat.“ Diesen in allen Teilen falschen Satz kommentiert der verschmitzte Lehrer mit den Worten: „Kevin, das können wir mit Abstrichen noch gelten lassen.“
Das Buch, das jetzt im Metropol Verlag erschienen ist, trägt den Titel „Diktatur und Demokratie im Unterricht: Der Fall DDR“. Darin wird von 25 Experten beschrieben, was Schüler über Zeitgeschichte, insbesondere über die DDR, wissen und was sie durch gelingenden Unterricht, in dem unter anderem Zeitzeugen zu Wort kommen, wissen könnten.
Bundesstiftung: „Schüler wissen sehr wenig über die DDR“
Das Buch wird am 26. September um 18 Uhr in der Bundesstiftung Aufarbeitung vorgestellt. Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
„Schüler wissen sehr wenig über die DDR“, sagt Jens Hüttmann, Leiter Schulische Bildungsarbeit bei der Stiftung und neben Anna von Arnim-Rosenthal Herausgeber des Buches. Etwa die Hälfte wisse zum Beispiel nicht, wann die Mauer gebaut wurde.
Wenn es um Namen von Politikern gehe, dann purzelten die Zuordnungen schon mal wild durcheinander – so wie auf dem Cover. Zugleich gebe es bei Schülern durchaus ein Interesse.
Durch Rückgriff auf die Zeitgeschichte dem grassierenden Rechtspopulismus etwas entgegen
Es bestehen da nur mehrere Probleme. So ist die Zahl der Geschichtsstunden meist auf eine oder zwei pro Woche beschränkt. Überdies geht der Geschichtsunterricht chronologisch vor; für die Zeit nach 1945 bleiben oft kaum noch Stunden übrig. Und schließlich steht meist das im Fokus, was auch prüfungsrelevant ist. Da, wo die DDR nicht prüfungsrelevant ist, fällt sie eher unter den Tisch.
Hüttmann plädiert jedenfalls dafür, den chronologischen Zugang um einen problemorientierten Zugang zu ergänzen – und das auch im Sinne der zunehmend gefährdeten Demokratie. An der Bundesrepublik und der DDR könne man nämlich sehr gut verdeutlichen, was den Unterschied von Demokratie und Diktatur ausmache. Dass die DDR eine Diktatur war, sei unbestritten. Nur welche Art von Diktatur, darüber könne man streiten.
Zudem könne man durch den Rückgriff auf die Zeitgeschichte dem grassierenden Rechtspopulismus etwas entgegen setzen – etwa indem man herausarbeite, dass das Neue Deutschland vor 1989 eine Art „Lügenpresse“ gewesen sei, man davon jedoch in der Gegenwart schon allein deshalb nicht sprechen könne, weil etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Berliner Zeitung oder die taz ganz unterschiedliche Angebote machten und gegensätzliche Perspektiven böten.
Kein Lehrstuhl für DDR-Geschichte
Zeitzeugen wiederum könnten verdeutlichen, dass auch DDR-Flüchtlinge nicht selten politische und materielle Motive gehabt hätten und dies auch legitim sei. Diese Wahrnehmung gelte für Flüchtlinge von heute vielfach als Tabu.
Die Zeiten, in denen ostdeutsche Lehrer von der DDR nichts wissen wollten, weil sie selbst als Lehrer noch in sie verstrickt gewesen waren, sind Hüttmann zufolge übrigens lange vorbei. Es habe mittlerweile einen Generationenwechsel gegeben, sagt er.
Andere Lehrer hätten sich weiter entwickelt. Ohnehin seien die Defizite an den Universitäten größer als an den Schulen. So gebe es deutschlandweit keinen Lehrstuhl für DDR-Geschichte.
Wichtig findet es der Herausgeber, zu betonen, dass politische Bildung und damit auch Bildung über die DDR plurale Bildung sei. In der Regel könnten mehrere Interpretationen ihre Berechtigung haben. Ohnehin gelte der Satz des Philosophen Jürgen Habermas: „Das Volk tritt immer nur im Plural auf.“ Allein da, wo der pluralistische Grundsatz bestritten werde, werde es schwierig. (mz)