1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Hintergrund: Hintergrund: Europa ohne Gas aus Russland - und die Folgen in einzelnen Ländern

Hintergrund Hintergrund: Europa ohne Gas aus Russland - und die Folgen in einzelnen Ländern

07.01.2009, 12:21

HAMBURG/DPA. - Die Auswirkungen in einzelnen europäischen Staaten imÜberblick:

DEUTSCHLAND: Mit dem größten ostdeutschen Gasimporteur VerbundnetzGas AG meldete am Mittwoch erstmals ein großes deutsches Unternehmen,dass kein Gas mehr aus der Ukraine in der Bundesrepublik ankommt.Der Ausfall der Gaslieferung durch die Ukraine werde aber über diePipeline durch Weißrussland und Polen fast ausgeglichen. Russland istder wichtigste Gaslieferant für deutsche Haushalte und Unternehmenmit einem Anteil von 37 Prozent. Die Gasspeicher sind aber gutgefüllt und reichen für mehrere Wochen.

ÖSTERREICH: Ist vollständig von den Gaslieferungen aus Russlandabgeschnitten. Es wird über eine Notverordnung nachgedacht, über diedann die Zuteilung der Gasreserven an Industrie und Privatverbrauchergeregelt werde. Österreich verbraucht im Jahr rund 8 MilliardenKubikmeter Gas, von denen rund 51 Prozent aus Russland stammen. Mit1,7 Milliarden Kubikmeter gibt es aber Reserven für Monate.

ITALIEN: Auch Italien hat erstmals kein Gas mehr über dierussischen Pipelines erhalten. Ein Notstandskomitee zur Energiekrisesoll einberufen werden. Italien deckt den Großteils seines Bedarfs anErdgas mit Lieferungen aus Algerien (33,2 Prozent) und Russland (30,9Prozent). Weitere Bezugsländer sind unter anderem Libyen (12,5Prozent), Niederlande (10,9 Prozent) und Norwegen (7,8 Prozent).

POLEN: Polen bekommt kein russisches Gas mehr aus der Ukraine.Bereits am Dienstag waren die Lieferungen über den AbnahmepunktDrozdowicza an der polnisch-ukrainischen Grenze um 85 Prozentzurückgegangen. Die Regierung versicherte, dass vorerst keineEngpässe drohten. Das Land bezieht sein Gas vor allem überWeißrussland aus der Jamal-Pipeline. Zudem reichten die gespeichertenVorräte für mehrere Wochen.

UNGARN: Hier bleiben viele Pipelines leer. Ungarn bezieht 90Prozent seines Erdgases aus Russland. Die Reservespeicher mit 3,5Milliarden Kubikmeter Gas reichen 70 Tage lang aus. IndustriellenVerbrauchern sind Einschränkungen auferlegt worden. Am BudapesterFlughafen Ferihegy wurde die Heizung und Warmwasserversorgung auf Ölumgestellt. Trotz der Sparmaßnahmen braucht Ungarn weiter täglich 64Millionen Kubikmeter Gas. Davon sollen 52 Millionen Kubikmeter ausdem Gasspeicher kommen, 9 Millionen Kubikmeter aus eigener Förderungund 3 Millionen Kubikmeter aus einer Pipeline im Westen.

RUMÄNIEN: Der russische Gasstrom ist versiegt. Das Land hat denNotstand ausgerufen. Rumänien hängt bis zu 40 Prozent von russischemImportgas ab. Die Reserven reichen laut Wirtschaftsminister AdrieanVideanu für sechs Monate. Kraftwerke, die Fernwärme liefern, könnensich kurzfristig auf Betrieb mit Öl oder Kohlen umstellen. Problemegibt es in Orten, die keine Fernwärme bekommen, sondern nur mit Gasheizen. Dort wird nun befürchtet, dass die Leute frieren müssen. Eswird nun gehofft, dass die Wirtschaftskrise die Auswirkungen derGasknappheit dämpfen würde. So hat ein großer Gasverbraucher, dasChemiekombinat Doljchim, die Produktion erheblich eingeschränkt.

TSCHECHIEN: Auch Tschechien erhält kein russisches Gas mehr durchPipelines aus der Ukraine und der Slowakei. Der Tagesverbrauch vonetwa 50 Millionen Kubikmetern Gas sei aber durch Reserven und denImport norwegischen Gas für mehrere Wochen gesichert, teilte dergrößte tschechischen Gasversorger RWE Transgas mit. Die EU untertschechischer Ratspräsidentschaft drängt Kiew und Moskau darauf, dieGaslieferungen an EU-Staaten wieder in vollem Umfang aufzunehmen.

SLOWAKEI: In der Slowakei ist es am Mittwoch zu erstenProduktionsausfällen als Folge der Gaskrise gekommen. Nachdem amMorgen die Gaszufuhr aus der Ukraine in die Slowakei völligabgestellt wurde, musste die slowakische Gasgesellschaft SPP dieBelieferung von Großabnehmern reduzieren. Daraufhin gab eine dergrößten Firmen des Landes, US Steel Kosice in der Ostslowakei, dieEinstellung der Stahlproduktion bekannt. Dies gilt für vorläufigsieben Tage. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen.

SERBIEN: Serbien, das sich über Ungarn versorgt, erhält kein Gasmehr. Zehntausende Serben wachten zum orthodoxen Weihnachtsfest wegendes Gasstopps in kalten Wohnungen auf. Viele Heizkraftwerke stelltenvon Gas auf Öl um. Eine solche technisch schwierige Operation «hat esnoch in der Geschichte noch nie gegeben», berichten Ingenieure inBelgrad. Viele Kraftwerke vor allem im Norden des Landes und in derdrittgrößten Stadt Novi Sad können aber nicht umgestellt werden undbleiben daher kalt. Die Vorräte an Öl als Ersatz reichen nur ein paarTage. Der Lieferstopp hat Bitterkeit ausgelöst, weil das Land dieErdölindustrie zu einem Billigpreis an Russland verkauft hatte. ImGegenzug war eine sichere Gasversorgung verabredet worden.

KROATIEN: Hier ist die Lage nicht ganz so schlimm, weil 70 Prozentdes Bedarfs aus eigenen Quellen gedeckt wird. Ähnliches gilt auch fürMazedonien, wo die veralteten Kraftwerke Öl verfeuern. In Bosnien-Herzegowina wurde der Gashahn ebenfalls gestern Nachmittag abgedreht.Hier reichen alternative Energieträger für «maximal fünf Tage».

BULGARIEN: Bulgarien ist von russischen Gaslieferungen durch dieUkraine komplett abgeschnitten - das Land hängt zu 95 Prozent von demGas aus Russland ab. Die Vorräte reichen für höchstens einen Monat.Für seine tägliche Versorgung mit Erdgas braucht Bulgarien 12Millionen Kubikmeter Gas. Derzeit kommt es mit bis zu 4,5 MillionenKubikmetern pro Tag aus - die Regierung hat drastische Sparmaßnahmenerlassen. Viele Heizkörper bleiben kalt. Die größten Hersteller vonKunstdünger stellten ihre Produktion ein. Brotbäcker kündigten wegender teureren Alternativenergie - zum Beispiel aus Öl - Erhöhungen biszu fünf Prozent an. Um den Stromverbrauch zu verringern, wollte dieHauptstadt Sofia ein Drittel der Straßenbeleuchtung abschalten undauf die Außenbeleuchtung wichtiger Gebäude verzichten.

GRIECHENLAND: Auch hier sind viele Pipelines leer. Das Landverbraucht nach Angaben der Gasgesellschaft DEPA täglich 8,5Millionen Kubikmeter Gas. 6,5 Millionen davon stammten aus Russland.Die Versorgung sei jedoch bis mindestens Ende Januar gesichert, weildie Türkei Erdgas aus Aserbaidschan (2 Millionen Kubikmeter pro Tag)liefert und es Reserven gebe. Wenn die Krise weiter andauern werde,müssten aber größere Industriebetriebe auf eine Versorgung mit Dieselumschalten.