Hintergrund Hintergrund: Arafats letzte Schlacht?
Ramallah/Jerusalem/dpa. - Im zweiten Stock des cremefarbenen Amtssitzes des Präsidentenmachten Jassir Arafat und seine Berater letzte verzweifelte Versuche,die Weltöffentlichkeit gegen die israelische Operation zumobilisieren. Doch vergeblich: Die Mahnungen der USA und die KritikEuropas konnten die israelische Armee nicht stoppen. Selbst im NahenOsten blieben laute Proteste aus. Nur der saudische KronprinzAbdullah versicherte, «dass das Königreich auf der Seite despalästinensischen Volkes und seiner Führung steht», und Ägyptenforderte die USA zum Eingreifen auf.
Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Beginn des blutigenKonflikts zwischen Israel und den Palästinensern am 29. September2000, der «zweiten Intifada», kämpft Arafat nach Ansichtpalästinensischer Beobachter seine letzte politische Schlacht.Führende israelische Politiker machten am Sonntag keinen Hehl aus derAbsicht der rechts-dominierten Regierung Ariel Scharon: Arafat, dervon der gesamten Führung und der Bevölkerung Israels zum Sinnbild desBösen abgestempelt wurde, soll nun endgültig ins Exil gezwungenwerden.
Man werde ihm das Leben in seinem zerstörten Hauptquartier soschwer machen, hieß es in Armeekreisen, dass der PLO-Chef am Ende«freiwillig» ausreise. «Wenn er beschließt, dass er ausreisen will,werden wir ihn mit einem Flugschein ohne Rückkehrrecht ins Auslandbringen», kündigte Vize-Verteidigungsminister Weizman Schiri an. Dersinnige Codename der Armeeoperation gegen Arafat: «Eine Frage derZeit».
Offiziell hat die Regierung Scharon die Beendigung der Aktion, mitder die letzten Symbole palästinensischer Autonomie zerstört werdensollen, an die Auslieferung von rund 20 Palästinensern aus ArafatsAmtsräumen geknüpft, die von Israel des Terrors verdächtigt werden.Doch damit sei nicht zu rechnen, meinte Arbeitsminister GhassanChatib: «Die Auslieferung dieser Männer wäre politischer Selbstmordfür jeden Palästinenser.» Israel wiederum machte deutlich, dass esnicht zu einem Kompromiss bereit sei. Verhandlungen wurden striktabgelehnt. «Scharon will keine Verhandlungen, er will dievollständige Kapitulation», meinte der israelisch-arabischeAbgeordnete Ahmed Tibi, ein früherer Arafat-Berater.
24 Monate dauert der jüngste blutige Nahostkonflikt bereits, derdurch einen «Spaziergang» Ariel Scharons auf dem von den Moslemsgeheiligten Tempelberg (arabisch: Haram el Scharif) in Jerusalemausgelöst wurde. Ein Konflikt, der bislang 1760 Palästinenser und 620Israelis das Leben kostete, die Autonomiebehörde und diepalästinensische Wirtschaft zerstörte und alle Aussichten auf einunabhängiges Palästina auf absehbare Zeit in Schutt und Asche legte.Anlass für die jetzige dramatische Eskalation des Konflikts waren diepalästinensischen Terroranschläge in der vergangenen Woche, bei denensieben Israelis und zwei Attentäter getötet wurden.
Die Regierung Scharon, aber auch die US-Regierung haben wieder undwieder erklärt, dass ein Ende der Intifada und politische Reformeninnerhalb der Palästinensergebiete nur ohne Arafat möglich seien.Politische Kommentatoren in Israel bezweifelten am Sonntag, dass dieauf Arafats Exil oder Tod hinauslaufende jüngste Zuspitzung durch dieisraelische Armee politischen oder militärischen Sinn machen werde.«Was wollen wir denn tun, wenn wir Arafat nicht länger herumschubsenkönnen?» fragte die Tageszeitung «Haaretz», «werden wir nach jedemneuen Terroranschlag Bulldozer schicken, um ihn im Grabherumzudrehen?»