1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Hetzjagd auf Inder: Kleinstadt Mügeln unter Schock

Hetzjagd auf Inder: Kleinstadt Mügeln unter Schock

20.08.2007, 16:59

Mügeln/dpa. - Nach der Hetzjagd auf indische Besucher eines Stadtfestes am Wochenende im sächsischen Mügeln hat die Polizei ihre Ermittlungsgruppe auf 15 Beamte aufgestockt. Der Staatsschutz wurde eingeschaltet. Eine Polizeisprecherin bestätigte am Montag, dass es bei dem Angriff mit insgesamt 14 Verletzten ausländerfeindliche Rufe gab.

Ein fremdenfeindliches Motiv werde nicht ausgeschlossen. «Wir ermitteln aber in alle Richtungen.» Zunächst werde wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung ermittelt. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) verschaffte sich am Montag ein Bild von der Situation in dem Ort.

Unterdessen dauerte die Vernehmung von Zeugen und Opfern an. Die Polizei suchte weitere Zeugen. «Wir müssen die genauen Abläufe des Geschehens klären und weitere Hinweise auf die Angreifer sammeln», sagte die Sprecherin. Bislang gab es zwei vorläufige Festnahmen. Die 21 und 23 Jahre alten deutschen Tatverdächtigen sind aber wieder auf freiem Fuß.

Der Bürgermeister der Stadt, Gotthard Deuse (FDP), widersprach einem rechten Hintergrund. «Bei uns gibt es keinen rechtsextreme Szene», sagte er. Wenn der Angriff einen fremdenfeindlichen Hintergrund habe, müssten die Täter aus Nachbarorten kommen. Es gibt allerdings Aussagen, wonach im Vorfeld bekannt gewesen sei, dass Rechtsextreme zum Fest anreisen wollten. So soll der Mügelner Jugendclub nach Medienberichten entsprechende Hinweise erhalten und weitergeleitet haben.

Die Polizeidirektion Westsachsen hatte erst mehr als 20 Stunden nach dem Vorfall offiziell über die Ereignisse berichtet. Etwa 50 zumeist junge Deutschen sollen nach einer Rangelei im Festzelt in der Nacht zum Sonntag eine Gruppe Inder verfolgt haben. Diese hätten vergeblich versucht, sich bei einem Landsmann in dessen Pizzeria «Picobello» in Sicherheit zu bringen. Rund 70 Polizeibeamte drängten die Angreifer schließlich ab. Es wurden acht Inder und vier Deutsche sowie zwei Polizisten verletzt, zwei Männer kamen ins Krankenhaus. Dort befand sich ein Inder nach Polizeiangaben auch noch am Montag.

Die Opfer waren laut Bürgermeister Deuse auf Einladung der Stadt bei dem Volksfest. «Umso bedauerlicher ist der Vorfall», sagte er. Sie seien mit dem indischen Besitzer der Pizzeria bekannt, der seit etwa fünf Jahren in Mügeln lebt. Zudem verkauften die Männer auf dem Wochenmarkt Kleider.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma forderte ein «konsequentes Vorgehen» der Strafverfolgungsbehörden. Zur besseren Bekämpfung rassistisch motivierter Gewalttaten sei «endlich auch ein politisches Signal des Gesetzgebers notwendig», erklärte der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose, am Montag in Heidelberg.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), warnte vor einer rasanten Radikalisierung der rechtsextremen Szene. «Die Übergriffe von Mügeln sind ein ganz entsetzliches Ereignis, überraschend kommt es aber nicht», sagte Edathy der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstag). «Ich kann dunkelhäutigen Bürgern auch heute nicht mit gutem Gewissen raten, Volksfeste in ostdeutschen Kleinstädten zu besuchen», sagte Edathy.