Heikle Operation Heikle Operation: Bundesweit erste Uniklinik wird privatisiert

Gießen/Marburg/dpa. - Während Hessens Ministerpräsident RolandKoch (CDU) den Plan als «Leuchtturmprojekt» rühmt und die Fachweltmit Spannung auf die Entscheidung wartet, sehen Kritiker vieleArbeitsplätze und die Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr.
Die vom Gesundheitskonzern Fresenius erworbene Helios-Gruppesowie die Krankenhausbetreiber Asklepios und Rhön-Klinikum AGsollen in dem Poker die besten Karten haben. Interesse angemeldethaben auch die Sana Kliniken-Gruppe (München) und die WiesbadenerHorst-Schmidt-Kliniken.
Auch wenn die Privatisierung kommunaler Krankenhäuser seitJahren ein boomendes Geschäft ist: Die Übernahme in Mittelhessenscheint für die Unternehmen zunächst weniger aus wirtschaftlichenGründen reizvoll. Sie wollen schlicht die ersten sein, die einekomplette Uniklinik kaufen - mit ihrer Verzahnung von Forschung,Lehre und Krankenversorgung. Dieser Gesichtspunkt spiele eine«ungebührlich große Rolle», sagt der Vorstandsvorsitzende desVerbandes der Universitätsklinika Deutschlands, Rüdiger Strehl.
Auf den ersten Blick klingen die Bedingungen nicht sonderlichattraktiv: Die Bausubstanz am Standort Gießen ist marode, derInvestitionsbedarf wird auf 200 Millionen Euro geschätzt. Imvergangenen Jahr hat die Gießener Klinik zudem ein Minus von fast2,4 Millionen Euro eingefahren. Das Haus in Marburg dagegen, dasschwarze Zahlen schreibt, hat in den vergangenen Jahren von hohenBauinvestitionen profitiert. Weil das Land wegen der knappenöffentlichen Kassen nicht weiter investieren will, hat Koch voreinem Jahr angekündigt, beide Häuser - und damit den größtenArbeitgeber der Region - an einen Privatkonzern zu verkaufen.
Zum Schutz von Forschung und Lehre sollen fünf Prozent derAnteile in öffentlicher Hand bleiben. «Wie ein privater Betreibersich diese Bedingungen bieten lassen kann - und dann auch noch eineMinderheitsbeteiligung des Landes mit aller Bürokratie -, ist mirschleierhaft», sagt Strehl. Die Kombination aus Fusion - dieKliniken wurden Mitte dieses Jahres zusammengelegt - undPrivatisierung hat für Strehl «nahezu keine Erfolgsaussichten». «Eswird zu endlosen Streitereien kommen, die Uni-Fakultäten in Gießenund Marburg werden ihren Standort vertreten - und der arme privateBetreiber, der das Ganze als ein Unternehmen führen will, sitztzwischen allen Stühlen.»
Harsche Kritik kommt auch von den Mitarbeitervertretern: Bis zueinem Drittel der Arbeitsplätze sei bei einem Verkauf bedroht,klagt der Gießener Personalratsvorsitzende Klaus Hanschur und dasTarifniveau werde drastisch sinken. Welcher private Betreiber zumZuge kommt, sei unerheblich: «Sie unterscheiden sich nur umNuancen, einer ist genauso schlecht wie der andere.» Das Landschließt zwar betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2010 aus,Personalabbau über die normale Fluktuation ist aber möglich.
Die Stimmung bei den Beschäftigten sei gedrückt, erzähltHanschur. «Seit anderthalb Jahren wird jetzt über diePrivatisierung diskutiert, die Menschen haben die Nase voll. Manwartet darauf, was passiert.» Als «Ventil» für den Protest gegendie Privatisierung sieht Hanschur ein Volksbegehren, bei dem nochbis Anfang Januar Unterschriften gegen den Verkauf gesammeltwerden.
Beim Kaufpreis schwirren unterschiedliche Zahlen umher, meistist von einer dreistelligen Millionensumme die Rede. Das hessischeWissenschaftsministerium hält sich in der Frage bedeckt. Je höherder Preis, desto höher wird auch die finanzielle Belastung für dieUniklinik - schließlich müssen Kredite getilgt, Investitionengetätigt und Gewinne erwirtschaftet werden.