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Heftige Kritik an Essener Tafel Heftige Kritik an Essener Tafel: Chef Jörg Sartor erwägt seinen Rücktritt

Nachdem die Tafel in Essen angekündigt hatte, vorerst nur noch Neukunden mit deutschem Pass aufzunehmen, hagelt es Kritik.

05.04.2021, 09:10

Nach dem Aufnahmestopp für Migranten bei der Essener Tafel wehrt sich deren Chef Jörg Sartor gegen die Kritik an der Entscheidung des Vereins. Wie die Bild-Zeitung berichtet, denkt er inzwischen über einen Rücktritt nach. Die Entscheidung hatte Ende vergangener Woche empörte Reaktionen ausgelöst. Die Grünen in Essen hatten die Maßnahme nicht nachvollziehbar bezeichnet.

„Ausschlaggebendes Kriterium dafür, wer die Tafel nutzen darf, sollte allein die nachgewiesene Bedürftigkeit der Kunden und Kundinnen sein“, forderte Christine Müller-Hechfellner von der Ratsfraktion der Grünen. Dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an dieser Gruppe besonders hoch sei, könne auch kaum überraschen, denn diese Zahlen spiegelten die soziale Wirklichkeit in der Gesellschaft.

Das Straßenmagazin „fiftyfifty“ will Abgewiesenen eine anwaltliche Unterstützung bieten. „Es ist schon schlimm genug, dass arme Menschen in einem reichen Land wie Deutschland auf Lebensmittelspenden angewiesen sind. Dass jetzt allerdings der Pass entscheidet, ob jemand etwas zu Essen bekommt, wenn er Hunger hat, ist unhaltbar und menschenverachtend“, erklärte Julia von Lindern, Sozialarbeiterin bei „fiftyfifty“. Die Essener Tafel verstoße gegen die eigenen Statuten. 

Spielt extremen Parteien in die Hände

Mit ihrem Aufnahmestopp für Migranten bei der Essener Tafel spielt der Verein nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes extremen Parteien in die Hände. „Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Tafeln unter großem Druck stehen und ihre Ressourcen im Blick haben müssen“, sagte Landesgeschäftsführer Christian Woltering am Freitagmorgen der Deutschen Presse-Agentur. „Aber Maßnahmen wie ein Aufnahmestopp sind Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten“.

Die Entscheidung widerspreche den Grundsätzen der Tafeln, sagte Woltering in Wuppertal. „Deren Ziel ist es, Bedürftigen zu helfen, unabhängig vom Pass.“ Nach seiner Einschätzung ist vor allem die Politik gefragt: „Migranten gehen vor allem zur Tafel, weil ihre Sozialleistungen nicht ausreichen“, sagte Woltering. „Der Politik ist auch das Thema der Altersarmut bekannt und auch hier drückt sie sich vor einer Lösung.“ 

Die Tafel gibt Lebensmittelspenden an anspruchsberechtigte Bedürftige kostenlos weiter. Bei der Hilfsorganisation in der viertgrößten Stadt Nordrhein-Westfalens müssen sich Interessenten registrieren. „Da aufgrund der Flüchtlingszunahme in den letzten Jahren der Anteil ausländischer Mitbürger bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen ist, sehen wir uns gezwungen um eine vernünftige Integration zu gewährleisten, zurzeit nur Kunden mit deutschem Personalausweis aufzunehmen“, heißt es auf der Internetseite des Vereins. (mit dpa)