Haushaltsdebatte Haushaltsdebatte: Brüche, Kitt und Nickeligkeiten
Berlin - Die beiden werden es richten müssen. Mitgebracht haben sie: einen verkratzten braunen Aktenkoffer und eine blaue Mappe. Der Koffer gehört dem Finanzminister, die Mappe dem Verkehrsminister und beide sind auf der Regierungsbank ins Gespräch vertieft: Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt.
Sie sind die beiden Pole bei dem derzeit umstrittensten innenpolitischen Projekt der Regierung. Der eine will die Pkw-Maut, der andere hält sie für eine Schnapsidee und lässt das auch deutlich durchblicken. Das Besondere ist: Hier streiten nicht Regierung und Opposition, sondern die Unionsparteien CDU und CSU.
Gleich nach der Sommerpause, zum Beginn ihres zweites Regierungsjahres ist zum Auftakt der Haushaltsdebatte das schwesterliche Zerwürfnis öffentlich zu begutachten, und so auch die Kitt-Versuche. Hinzu kommen einige weitere Nickeligkeiten:
Da ist zum Beispiel SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der die Union auffordert, mal über eine Familienarbeitszeit nachzudenken – was nicht im Koalitionsvertrag steht. Da ist Unions-Fraktionschef Volker Kauder, der zurückgibt, seine Partei habe den Mindestlohn, die Frauenquote, die Rente mit 63 mitgemacht. „Damit muss es auch mal gut sein.“ Da ist die Integrations-Ministerin Aydan Özoguz (SPD), die bemerkt, es sei „keineswegs so, dass Deutschland unter der Last der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien zusammenbricht“. Sozialleistungsbetrug, vor dem die CSU schrill gewarnt hatte, gebe es nur in Einzelfällen. Dann wieder Volker Kauder, dem gerade Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt für Ausführungen zur Ukraine applaudiert hat. Kauder herrscht sie an: „Von Wirtschaft verstehen Sie nun wirklich nicht so viel.“ Es ist, als erinnerten sich die Koalitionäre an die üblichen Konfliktlinien. Dabei hilft ihnen Gregor Gysi, der der Union den Gefallen tut und die Linkspartei als „Partei der Deutschen Einheit“ bezeichnet. Gemeinsames Gejohle. Gemeinsames betretenes Schweigen dann aber, als der Linksfraktions-Chef trompetet: „Lassen Sie doch den Quatsch mit der Maut. Das bringt gar nichts.“ Allgemeines Gelächter als Gysi ankündigt, im Zuge von Privatisierungen Schäubles Wohnstraße zu kaufen und in Gysi-Straße umzubenennen. Es braucht die Linkspartei, damit die Union wenigstens gemeinsam lachen kann, auch über die Maut.
„Ein Spiel mit dem Feuer“
Zuletzt hatten CDU und CSU derart gestritten, dass CSU-Chef Horst Seehofer öffentlich sein Befremden ausdrückte. CSU-Abgeordnete vermuteten Unterminierungsversuche der Kanzlerin, die die Kritik aus ihren Reihen nicht stoppte oder nicht stoppen konnte. „Ein Spiel mit dem Feuer“, hieß es bei der CSU. Bei der Unions-Fraktionsklausur klammerte man das Thema aus. Eine Koalitionsrunde wurde verschoben.
Wer möchte, kann Merkels Haushaltsrede als Beschwichtigung deuten. Sie erwähnt Dobrindt gleich als ersten Minister lobend, allerdings als Zuständigen für den Ausbau der Datenleitungen. Sie spricht viel von Pflegeleistungen und Bildungsinvestitionen. Ihr Engagement bei der Maut ist deutungsfähig. Eine Pkw-Maut sei geplant, das Konzept werde derzeit diskutiert. Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass Deutschland weiterhin eines der besten Verkehrsnetze der Welt habe. Es scheint, als rede die CSU der Kanzlerin etwas zu viel über Schlaglöcher und marode Brücken, zumal in Zeiten von Ukraine-Krise, Isis-Vormarsch und Flüchtlingsdramen.
Um Ausgleich bemüht ist CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Der nächste Haushalt sei eine historische Zeitenwende. Erstmals seit 40 Jahren soll der Etat ohne neue Schulden auskommen. Wolfgang Schäuble hat dem Verkehrsminister mitteilen lassen, dass er finanzielle Risiken seiner Maut bitteschön aus dem eigenen Etat stemmen müsse. Aus dem braunen Koffer gibt es nichts.