Hannover Hannover: Zwangsräumung in Kleingartenkolonie

Hannover/ddp. - «DerCharakter einer friedlichen Versammlung» sei nicht mehr gegebengewesen, sagte Polizeisprecher Stefan Wittke zur Begründung. Die 26Tierschützer, die das Gelände besetzt hielten, hatten metertiefeFallgruben gegraben, Barrikaden errichtet und Depots für Steineangelegt. Bezirkspolitiker lobten die Räumungsaktion der Polizei alsfriedlich. Boehringer Ingelheim bekräftigte unterdessen die Absicht,auf dem Grundstück ein Tierimpfstoff-Zentrum zu bauen.
Um 5.40 Uhr am Morgen war die Polizei mit Einsatzkräften mehrererHundertschaften angerückt und hatte das Gelände umstellt. Dieehemalige Kleingartenkolonie wird seit zehn Jahren nicht mehrgenutzt. Auf dem Areal wuchern meterhohe Brennnesseln, Sträucher undalte Obstbäume. Verwitterte Gartenlauben und Holzbuden boten den 26Tierversuchsgegnern bis Mittwoch gute Versteckmöglichkeiten. BeiEintreffen der Polizei weigerten sich einige der jungen Leute zugehen: Zwei junge Frauen ketteten sich in einem Betonblock fest, einjunger Mann kletterte auf eine zehn Meter hohe Eiche, dreiTierschützer stiegen auf den Dachfirst einer alten Gartenlaube.
Spezialkräfte der Bundespolizei bargen die Aktivisten mit Hilfevon Klettergeschirr. Die 19 und 21 Jahre alten Frauen, die sich ineinem Betonblock festgekettet hatten, wurden mit einem Bohrhammerfreigebohrt. «Ich bin gegen Tierversuche», begründete die 19-jährigeSusanne ihren Einsatz. «Medikamente können auch anders hergestelltwerden.» Der 20-jährige Hans, den die Polizei aus der Baumkronebergen musste, sagte: «Ich will nicht kooperieren, wenn die Polizeidas Gelände räumt.» Die gesamte Räumung verlief friedlich. Festnahmenwaren nach Polizeiangaben nicht nötig. Die Tierschützer müssen nunmit Bußgeldern wegen Ordnungswidrigkeiten rechnen und bekamenPlatzverweise für das Grundstück.
Boehringer Ingelheim hatte die wochenlange Besetzung desGrundstücks geduldet. Der Konzern will auf dem Gelände einTierimpfstoff-Zentrum errichten. Anwohner befürchten, dass rund 1000Schweine in der Anlage gehalten werden sollen. Sie wehren sich gegenden Standort des Zentrums und kritisieren eine unzureichendeAufklärung des Konzerns über mögliche Gefahren durch Viren.
Die benachbarte Tierärztliche Hochschule Hannover unterstützt dasProjekt und erhofft sich Synergieeffekte für Lehre und Forschung. Ineiner gemeinsamen Erklärung betonten Unternehmen und Hochschule amMittwoch, die Meinung der Tierversuchsgegner zu respektieren. Sieappellierten jedoch daran, «die Regeln des demokratischen Dialogs undparlamentarischer Entscheidungsverfahren einzuhalten».
Am 28. Juli war es zu einem Farbanschlag auf das Wohnhaus vonHannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) gekommen. Am Mittwochvergangener Woche wurde ein Gebäude der Tierärztlichen Hochschule mitFarbe beschmiert. Beide Taten stehen laut Polizei möglicherweise imZusammenhang mit den Protesten auf dem Boehringer-Gelände.
Im September will der Stadtrat von Hannover mit einemSatzungsbeschluss den Weg für die Bauarbeiten auf dem Geländefreimachen. Am Mittwoch ließ das Unternehmen nach der Räumung einenBauzaun um die ehemalige Kleingartenkolonie erreichten, dessenÜberwinden nunmehr mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch geahndetwerden kann.