Hamburg-Wahl Hamburg-Wahl: Doppelstrategie der AfD zahlt sich in Hamburg aus
Berlin - Sie hatte mit einem besseren Ergebnis gerechnet, sie blieb weit hinter ihren Erfolgen im Osten vom Vorjahr zurück – und doch feiert die „Alternative für Deutschland“ die Ansage, es knapp in die Hamburger Bürgerschaft geschafft zu haben, nicht nur als Einzug ins Parlament eines norddeutschen Stadtstaates. Sondern als Meilenstein bei ihrer Ausdehnung auf ganz Deutschland.
AfD erhofft sich Rückenwind
Das Hamburger Votum gebe Rückenwind für die anstehenden Wahlen im Mai in Bremen und 2016 in Baden-Württemberg, jubiliert AfD-Chef Bernd Lucke. Sein Stellvertreter an der Parteispitze, Hans-Olaf Henkel, plant am Abend schon für 2017 mit Luckes „Jungfernrede im Bundestag“. Und der Hamburger Landeschef und Spitzenkandidat Jörn Kruse erklärt stolz, wer es in einer so liberalen und links dominierten Stadt schaffe, schaffe es „überall – einschließlich Bundestag“.
Die AfD-Spitze hatte die Wahl stets zur Weichenstellung für die Partei hochgeredet: Erstaunlich offen hatten Lucke, Henkel und auch Spitzenkandidat Kruse vorab erklärt, von Hamburg werde für die AfD ein Signal ausgehen – nach außen wie nach innen. So interpretieren die drei Wirtschaftsexperten, die allesamt aus Hamburg stammen – ein Heimvorteil, den die AfD offensiv einsetzte – den Einzug in die Bürgerschaft nun als Zeichen für die bundesweite Öffentlichkeit, „dass die AfD überall mit ihren Themen erfolgreich sein kann“, wie Lucke sagt. Und eben nicht nur im Osten, wo es „aufgrund der geringeren Parteienbindung der Wähler leichter ist, Erfolge zu erzielen“. Gemeint ist: Die AfD punktet nicht nur bei frustrierten Ossis, die schlicht die Protestpartei der Saison suchen. Oder, wie Landeschef Kruse befand: Weil der Osten „weniger Erfahrung mit Demokratie und Marktwirtschaft“ hätten, zögen da viel „simplere Sprüche“ als in einer „weltoffenen Großstadt wie Hamburg“.
Der Erfolg im Norden zeige nun klar, dass die AfD nicht nur die nationalkonservative Partei sei, als die sie im Osten auftrete, erklärte Parteivize Henkel am Rande der Hamburger Wahlparty mit Blick auf die Ost-Landesverbände, die offen mit Ressentiments gegenüber Ausländern, Muslimen und Homosexuellen gespielt und sich mit Pegida sympathisiert hatten. Man sei auch eine liberale Wirtschaftspartei; der Einzug ins Hamburger Parlament, habe die „Balance“ zwischen diesen Flügeln „gesichert“, so Henkel.
Enttäuschte CDU-Wähler wechseln zur AfD
Ausgezahlt hatte sich, wie erste Analysen der Wählerwanderung zeigen, dass die AfD um enttäuschte CDU-Wähler geworben hatte: aus dem Unions -Lager gewann sie die meisten Stimmen. Etwas weniger erfolgreich war dagegen das Buhlen um Liberale. AfD-Vize-Landeschef Bernd Baumann sagt am Sonntagabend denn auch, das AfD-Ergebnis wäre besser ausgefallen, hätten Hamburgs bürgerliche Wähler nicht Rot-Grün verhindern wollen und deshalb doch noch FDP gewählt.
Ein Blick auf die Handvoll AfD-Kandidaten, die nun in die Bürgerschaft einziehen dürfte, widerlegt die Lucke-Lesart des Wahlerfolgs freilich gleich doppelt: In Hamburg ist die AfD auch ein Sammelbecken ehemaliger Funktionäre und Mitglieder anderer rechtspopulistischer Strohfeuer-Parteien wie Statt-, Zentrums- oder Schill-Partei, von der nun gleich mehrere AfD-Parlamentier kommen – und Themen wie innere Sicherheit und Ausländer-Skepsis mitbringen. Und auch hinter den einstigen Erfolgen dieser früherer Protestparteien blieb die AfD deutlich zurück.