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Gründung der "Magdeburger Plattform" Gründung der "Magdeburger Plattform": Die SPD-Linke erfindet sich neu

Von Mira Gajevic 16.11.2014, 18:28

Viel war von der SPD-Linken in den vergangenen zwölf Monaten nicht zu hören, zu bitter war die Wahlniederlage. Einen Parteichef, der es angesichts dieser schwierigen Ausgangslage dennoch vermochte, der Union bei Koalitionsverhandlungen wichtige sozialdemokratische Projekte abzutrotzen, wollte niemand durch zu laute Kritik schwächen. Diese Zurückhaltung lässt inzwischen nach. Denn bei der Linken in der Sozialdemokratie wächst die Sorge, dass der derzeitige pragmatische und wirtschaftsfreundliche Kurs von Sigmar Gabriel in die falsche Richtung führt. 250 Vertreter der Parteilinken trafen sich deshalb am Wochenende, um die „Magdeburger Plattform“ zu gründen. Das Forum soll die zuletzt so handzahme Linke schlagkräftiger machen und ihr stärkeres Gewicht verschaffen.

Am Sonnabend waren die Sprecher der neuen Plattform, deren Gründungsaufruf von mehr als 800 SPD-Mitgliedern unterzeichnet wurde, allerdings vor allem darum bemüht, nicht als Rebellen gegen den Parteichef verstanden zu werden. Vize Ralf Stegner hob auf dem Treffen hervor, an dem auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles teilnahm, die neue Plattform sei keine Kampfansage an Gabriel. „Vor uns muss niemand Angst haben in der eigenen Partei – es sei denn, er will unsere Programmatik nach rechts verschieben“, stellte er klar. Es gehe nicht um einen neuen Kurs, sondern „wir wollen, dass das gute Parteiprogramm umgesetzt wird“. Gegner sei dabei nicht die Parteirechte, sondern „unser Gegner sind die anderen Parteien“, sagte Stegner weiter. Die SPD müsse aber Profil gewinnen, sonst „kommen wir eher in Richtung 20 Prozent als in Richtung 30 Prozent“, warnte er mit Blick auf die Bundestagswahl 2017.

Die Programmatik vorantreiben

Es gehe darum, „über die Umsetzung des Koalitionsvertrages hinauszudenken“, ergänzte Juso-Chefin Johanna Uekermann. Sie, Stegner und der Sprecher der Parlamentarischen Linken im Bundestag, Carsten Sieling, werden die Plattform künftig koordinieren. Eine neue Organisation will man nicht sein, bislang sind lediglich regelmäßige Treffen verabredet, um die programmatische Arbeit der Partei voranzutreiben, hieß es am Samstag. Die DL21-Vorsitzende Hilde Mattheis, die spätestens nach ihrer Kritik am Mindestlohnkompromiss – sie hatte ihn mit einem faulen Apfel verglichen – von vielen nur noch als Fundamentalopposition kritisiert wird, soll in der Plattform keine herausgehobene Rolle spielen.

Dass die Schwäche der SPD-Linken nicht gut ist für die Partei, räumen sogar ihre Konkurrenten vom anderen Flügel ein. „Eine Stärkung der Linken scheint mir mehr als nötig“, sagt Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD. Für die Versuche der Kollegen von links, sich größeren Einfluss zu verschaffen, findet er nur freundliche Worte. „Ich bin ein Anhänger des Spruchs von Helmut Schmidt: Eine Partei ist wie ein Vogel, sie braucht einen linken und einen rechten Flügel, damit sie schlagen kann.“ Fürchtet er mehr Unruhe, wenn die Linken nicht mehr so pflegeleicht sind? „Nein. Ich werde mich sicher nicht immer über alles freuen, was ich zu hören bekomme. Aber eine starke Linke ist gut für die Volkspartei SPD. Die SPD-Linke ist weit unter ihren Möglichkeiten geblieben.“

Die ruhigen Zeiten sind vorbei

Geht es nach Stegner und den anderen Vertretern der Plattform, wird sich aber nicht nur Kahrs künftig häufiger kritische Töne anhören müssen. So fordert die Linke die Wiedereinführung der Vermögensteuer, was Parteichef Gabriel gerade abgelehnt hat. Der kohlefreundliche Kurs des Wirtschaftsministers trifft ebenso auf Unmut und der innerparteiliche Konflikt um das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA hat noch gar nicht richtig angefangen.

Vor allem aber sind sich die SPD-Linke und der Parteichef uneins, was die aussichtsreichste Strategie für die nächste Bundestagswahl ist. Für Stegner und seine Mitstreiter war das Parteiprogramm genau richtig. Der Parteivize ist sich sicher, viele haben die SPD nur deshalb nicht gewählt, weil sie ihr misstrauten, dass sie an der Regierung zu ihrem linken Programm stehen wird. Für den SPD-Vorsitzenden hat das Programm dagegen zu wenige Wähler angesprochen. Wer aus der 20-Prozent-Falle raus wolle, müsse die SPD zur Mitte hin öffnen, ist Gabriel überzeugt. Sicher scheint damit nur eines: die ruhigen Zeiten sind für den Parteichef endgültig vorbei.