Großbritannien Großbritannien: Parteien erörtern Regierungsbildung

London/dpa. - Auf der Suche nach einer neuen Regierung inGroßbritannien werden die Signale für ein Bündnis aus Konservativenund Liberaldemokraten deutlicher. Der Parteichef der konservativenTories, David Cameron, und der Liberaldemokrat Nick Clegg sprachen amWochenende erstmals unter vier Augen miteinander. Eine schnelleLösung zeichnete sich aber nicht ab. Unterdessen wuchs derinnerparteiliche Druck auf den amtierenden Premierminister undLabour-Chef Gordon Brown. Mehrere Abgeordnete forderten ihn zumRücktritt auf. Jedoch traf auch Brown am Sonntag mit Clegg zusammen.
Die Tories brauchen die Liberaldemokraten für eineRegierungsbildung, weil sie bei der Wahl am Donnerstag nicht dieabsolute Mehrheit erreicht hatten. Aber auch Labour buhlt um die «LibDems», um weiter an der Macht zu bleiben.
Animierte Grafik: Wahl in Großbritannien
Die Marathonverhandlungen zwischen Konservativen und Liberalenbrachten am Sonntag noch nicht den Durchbruch. Die Teams beiderParteien würden «in den nächsten 24 Stunden» erneut zusammenkommen,erklärte der außenpolitische Sprecher der Tories, William Hague. DieGespräche seien «positiv und produktiv» gewesen. Zentraler Punkteines möglichen Bündnisses sei, die Verschuldung zu bekämpfen undwirtschaftliche Stabilität herzustellen.
Währenddessen kamen jedoch auch Brown und Clegg erstmals zusammen,berichteten Medien. Wenn die Gespräche mit den Tories scheitern,könnte es auch eine Koalition zwischen Labour und «Lib Dems» geben.
Doch auch die Tories locken: Michael Gove, bei den Tories alsBildungsminister vorgesehen, erklärte sich bereit, seinenKabinettsposten für einen Liberaldemokraten zu opfern. Mit Blick aufmöglicherweise nervöse Reaktionen an den Finanzmärkten sagte er, esmüsse alles getan werden, um so schnell wie möglich eine neueRegierung auf die Beine zu stellen. Cameron wollte erst amMontagabend mit den Abgeordneten seiner Partei zusammentreffen. AusParteikreisen hieß es, dass es vor Montag «wahrscheinlich» keineLösung gebe.
Brown geriet derweil weiter in die Schusslinie. MehrereLabour-Abgeordnete forderten seinen Rücktritt als Partei- undRegierungschef. Eine Umfrage für die Zeitung «Sunday Times» zeigtezudem, dass fast zwei Drittel der Briten der Meinung sind, Brownsollte seinen Platz in der Downing Street räumen. DieBoulevardzeitung «The Sun» hatte Brown bereits auf ihrer Titelseiteals «Hausbesetzer» im Dienstsitz des Premierministers bezeichnet.
Brown kam am Sonntag auch mit ranghohen Politikern seiner Parteiin der Downing Street zusammen. Und in einer E-Mail an seineUnterstützer schrieb er, er werde weiter «für die Menschen in diesemLand kämpfen». Es sei seine Pflicht als amtierender Premier, dieSituation zu meistern.
Ob er allerdings ein Alternativbündnis seiner Labour-Partei mitden Liberalen anführen könnte, ist unsicher. Neben dem Druck aus dereigenen Partei gilt auch der Liberaldemokrat Clegg als Brown-Kritiker. Ferner hätten Labour und Liberale keine ausreichendeMehrheit und bräuchten weitere Partner. Brown bleibt aber auf jedenFall Premier, bis eine Lösung gefunden ist. Eine Koalition gab es imKönigreich seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie.
Entscheidender Punkt bei den Verhandlungen zwischen Tories undLiberalen ist die Reform des veralteten britischen Wahlsystems, daskleine Parteien benachteiligt. Am Samstag versammelten sich rund 1000Demonstranten vor der Zentrale der «Lib Dems» und forderten einfaireres Wahlrecht. Die Liberaldemokraten sollten bei Verhandlungenmit den Tories und Labour nicht einknicken und an ihren Forderungenfesthalten.
Sowohl Cameron als auch Brown hatten den Liberalen eine Wahlreformin Aussicht gestellt. Die Tories gingen jedoch nicht so weit wieLabour und schlugen nur einen parteiübergreifenden Ausschuss vor.Clegg könnte das zu wenig sein. Die Liberaldemokraten wollen einWahlsystem, das die tatsächlichen Stimmenanteile besser abbildet alsdas geltende Mehrheitswahlrecht.
Zu Problemen zwischen Tories und Liberalen könnte es ferner in derEuropapolitik kommen. Die Konservativen sind ganz im Gegensatz zu denLiberalen extrem europaskeptisch und wollen nicht mehr Macht vonLondon nach Brüssel abgeben.