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Großbritannien Großbritannien: Gericht verhandelt über Bombenanschlag der IRA von 1998

Von Thomas Burmeister 04.09.2006, 08:12
Hilfsmannschaften und Polizei suchen am 15. August 1998 nach dem Bombenanschlag in Omagh nach Überlebenden. Die Explosion tötete 29 Menschen und verletzte mehr als 220. (Archivfoto: dpa)
Hilfsmannschaften und Polizei suchen am 15. August 1998 nach dem Bombenanschlag in Omagh nach Überlebenden. Die Explosion tötete 29 Menschen und verletzte mehr als 220. (Archivfoto: dpa) AFP

Belfast/dpa. - Doch mangels genauer Informationen evakuierte die Polizei die falsche Gegend. Das Auto mit dem Sprengsatz stand weiter als vermutet vom Gerichtsgebäude entfernt - in einer Straße, über die viele davonliefen.

Die Explosion tötete 29 Menschen und verletzte mehr als 220. Unter den Opfern dieses folgenschwersten einzelnen Bombenanschlags in der Geschichte des Nordirlandkonflikts waren viele Kinder. Acht Jahre danach steht jetzt in Belfast einer der mutmaßlichen Täter vor Gericht. Von diesem Mittwoch (6. September) an muss sich der 36-jährige Elektriker Sean Gerard Hoey wegen 29-fachen Mordes verantworten. Er soll den Sprengstoff beschafft haben.

Hoey gehörte der Terrorgruppe «Real IRA» an. Die «wahre» IRA hattesich nach dem Nordirland-Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 von derIrisch-Republikanische Armee (IRA) losgesagt, weil diese das Zieleiner Vereinigung des Nordens mit der Republik Irland nun gewaltfreianstreben wollte.

Mit dem Prozess in Belfast wird in Erinnerung gerufen, dassislamische Extremisten kein Monopol auf das wahllose TötenUnschuldiger haben. Zeugenaussagen lassen das Grauen in den Straßenvon Omagh noch einmal auferstehen: «Überall war Blut», hatte diedamals 59-jährige Dorothy Boyle zu Protokoll gegeben. «Ich sah einetote Schwangere, der es beide Beine weggerissen hatte. Und ich saheinen Jungen, der auf sein abgerissenes Bein starrte, an dem nochdieser kleine Schuh war.»

Ganz ähnliche Schreckensszenen hatte es nur sieben Tage zuvor beimBombenanschlag auf die US-Botschaft in Nairobi (Kenia) mit 230 Totengegeben. Dass die El Kaida seit dieser Bluttat am 7. August 1998 alsdie schlimmste Terrorgefahr gilt, war für die Iren nie ein Trost.Nahezu 4000 Menschen fielen dem Nordirlandkonflikt zum Opfer.Allerdings war das Jahr des Omagh-Anschlag auch jenes, in dem dankdes Karfreitagsabkommens endlich Hoffnung auf Frieden keimte.

Nordirland erlebte - ähnlich wie Republik im Süden der Insel -einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Im Sommer 2005erklärte die IRA ihre endgültige Entwaffnung, was ein Jahr späterunabhängige Gutachter bestätigten. Dennoch ist die Terrorgefahr inNordirland nicht völlig gebannt. Extremisten auf beiden Seiten desKonflikts haben ihre Gewehre und Bomben behalten.

Als besonders gefährlich gelten die zwei Splittergruppen «RealIRA» und «Continuity IRA». Nach Angaben des irischenJustizministeriums haben sie zusammen etwa 200 aktive Mitglieder.Erst Mitte August hatte die «wahre» IRA die Verantwortung fürBombenanschläge auf «britische» Unternehmen in der Ortschaft Newryübernommen, bei denen umgerechnet 15 Millionen Euro Sachschadenangerichtet wurden.

«Wenn es nicht gelingt sie aufzuhalten, ist es nur eine Frage derZeit, bis wieder Autobomben in unseren Stadtzentren explodieren»,schrieb Michael Gallagher in einem Offenen Brief an die britischeRegierung. Er hofft, dass der Prozess die Aufmerksamkeit auch wiedermehr auf den «nicht-islamischen Terrorismus» lenkt. Gallaghers SohnAiden war vor acht Jahren unter den Toten des Anschlags von Omagh.