Großbritannien Großbritannien: «Cherie-Gate» stört den Adventsfrieden

London/dpa. - Von einer friedvollen Adventszeit dürfte in der «Downing Street No 10» nicht viel zu spüren sein. Der Haussegen hängt schief, und die Nerven liegen blank am Wohnsitz des britischen Premierministers Tony Blair. Ehefrau Cherie sieht sich seit zehn Tagen einer «Rufmordkampagne» (Blair-Sprecher) ausgesetzt, in deren Mittelpunkt ihre Kontakte zu dem vorbestraften Betrüger Peter Foster (40) stehen. Erstmals ging die 48-Jährige nun in die Offensive - tränenreich und vor laufenden Kameras. Die Botschaft: «Ja, ich habe Fehler gemacht, aber nichts Unrechtes getan.»
Kaum eine britische Zeitung kam am Mittwoch an dieser sehr emotional vorgetragenen und exakt 1100 Worte umfassenden Botschaft vorbei. Der «Daily Mirror» analysierte den neunminütigen Auftritt Cheries bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung am Dienstag auf neun Seiten. Nahezu jede überregionale Zeitung hatte das Bild der verheulten «First Lady» auf der Titelseite. Der Grundtenor blieb aber skeptisch. «Eine vorzügliche Vorstellung», kommentierte etwa «The Guardian».
Im Zentrum der bereits als «Cherie-Gate» bezeichneten Affäre stehen Vorwürfe, die renommierte Juristin Cherie Blair habe unter Mithilfe des Australiers Foster zwei Eigentumswohnungen zum Preis von umgerechnet 830 000 Euro in Bristol gekauft, dem Studienort ihres Sohnes Euan. Nach anfänglichen Dementis musste der Pressestab der «Downing Street» entsprechende Kontakte zu Foster einräumen, den die Gattin des Regierungschefs über ihre Freundin und Modeberaterin Carole Caplin kennen lernte. Weit schwerer aber wiegt der Verdacht, Frau Blair habe sich für den von der Abschiebung bedrohten Foster bei den Justizbehörden eingesetzt. Einflussnahme auf einen Richter könnte das Ende ihrer beruflichen Karriere sein.
«Ich weiß, dass ich in einer sehr besonderen Position bin. Ich bin die Frau des Premierministers, ich habe einen interessanten Job und eine wunderbare Familie, aber ich weiß auch, ich bin nicht Superwoman (Superfrau)», sagte eine sichtlich mitgenommene Cherie Blair und fügte hinzu: «Manchmal möchte ich mich verkriechen und verstecken. Aber ich werde es nicht tun.»
Die «Daily Mail», die sich diesmal als Wortführer der gefürchteten britischen Boulevard-Zeitungen geriert, blieb unbeeindruckt und bezeichnete den Auftritt als «reines Theater». Ebenso wie der «Daily Mirror» sieht das Blatt noch erheblichen Klärungsbedarf. Inwiefern war Tony Blair über die Geschäfte informiert? Warum verließ sich Cherie Blair auf die Dienste eines Betrügers? Und warum erkundigte sie sich nach dem Namen des Richters, der mit der Ausweisung Fosters betraut ist?
Der «Daily Telegraph» zollte dem «tapferen Auftritt» zwar Respekt, merkte jedoch an: «Aber sie hat es nicht geschafft, den Verdacht gegen sie aus dem Weg zu räumen.» Und der «Guardian» zeigte Cherie Blair in einer Karikatur gar mit einer immer länger werdenden tropfenden Pinocchio-Nase.