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«Grauenhaft» «Grauenhaft»: Empörung über Koran-Entscheidung einer Richterin

Von Christoph Trost und Anne-Katrin Einfeldt 22.03.2007, 16:12

Frankfurt/Main/Berlin/dpa. - Selbst Bundesjustizministerin Brigitte Zypries(SPD), die am Donnerstag auf Nachfrage zunächst erklärte,Gerichtsentscheidungen «nie» zu kommentieren, fügte dann doch hinzu:Es gebe «eben solche Einzelfallentscheidungen, die einen manchmal,wenn man sie so über die Presse wahrnimmt, fassungslos machen».

Die Richterin hatte eine schnelle und vorzeitige Scheidung einerMuslimin von ihrem Mann, der sie geschlagen haben soll, abgelehnt undfestgestellt, dass es «keine unzumutbare Härte» sei, dasTrennungsjahr abzuwarten. Sie berief sich dabei allerdings nicht aufdeutsches Recht, sondern auf eine Sure des Korans. Im marokkanischenKulturkreis des Paares sei das Züchtigungsrecht des Mannes gegenüberseiner Frau nicht unüblich, argumentierte die Richterin. DieMuslimin, eine Deutsche marokkanischer Abstammung, lehnte dieFrankfurter Amtsrichterin schließlich als befangen ab - mit Erfolg:Ein anderer Richter gab ihrem Antrag inzwischen statt.

Ob es denn sein könne, dass der Koran in Deutschland über demGrundgesetz stehe, wurde Zypries gefragt. «Das tut er nicht»,antwortete die Ministerin klipp und klar. «Man muss sich dieEntscheidung mal durchlesen, dann wird man feststellen, dass auchdiese Richterin wahrscheinlich nicht davon ausgegangen ist, dass derKoran über dem Grundgesetz steht. Das kann ich mir wenigstensschlechterdings bei einer deutschen Richterin gar nicht vorstellen.»

Abgesehen davon ist schon die deutsche Übersetzung derbetreffenden Koransure 4, Vers 34, umstritten. In einer Varianteheißt es zwar: «Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen (...).Und jene, deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet: ermahnt sie, meidetsie im Ehebett und schlagt sie!» Andere Übersetzungen schreibendagegen nicht «schlagt sie», sondern «straft sie» oder «trennt euchvon ihnen». Ganze Bücher gibt es zur Übersetzung und Auslegung dieserSure.

Eine klare Position bezieht dabei der Zentralrat der Muslime inDeutschland. Der Islam verbiete Gewalt in der Ehe, und das Schlagenvon Frauen sei auch im Islam «allemal ein Scheidungsgrund», hieß es.Die Richterin «hätte einfach das deutsche Zivilrecht anwenden müssen,da hätte es überhaupt keinen Widerspruch zum Islam gegeben».

Publik wurde die Entscheidung der Richterin kurz bevor sich dasBundeskabinett mit zahllosen Neuregelungen im Asyl- undZuwanderungsrecht beschäftigt. Kommende Woche will die Regierung denrund 500 Seiten starken Gesetzentwurf auf den Weg bringen. Erst andiesem Mittwoch hatten die Innenexperten der Unionsfraktion nocheinmal vor Parallelgesellschaften in Deutschland gewarnt und so diekünftig verpflichtenden deutschen Sprachkenntnisse beimEhegattennachzug verteidigt. Damit solle die Integration vonAusländern gefördert und vor allem die Rolle der Frauen gestärktwerden, hieß es.

Hessens Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) klagte nun amDonnerstag, die Entscheidung der Richterin torpediere alleIntegrationsbemühungen. Und auch die deutsch-türkische Autorin undSoziologin Necla Kelek warnte vor einer «Gegengesellschaft». DieRichterin greife die Argumentation einiger Muslime auf, wonach derprivate Raum, zum Beispiel das Verhältnis zur Ehefrau, etwas sei, «indas sich der Staat nicht einzumischen habe. Dort ist die Frau Besitzdes Mannes.» Man müsse gleiches Recht für alle durchsetzen, «egal obes sich um eine Muslimin oder um eine Christin handelt», sagte Kelek.«Alles andere ist Apartheid oder die Rechtsauffassung der Scharia.»

Die Richterin bedauerte am Abend ihre Äußerung. EinGerichtssprecher erklärte, der Frau seien «Tragweite und Sprengkraft»ihrer Aussage nicht klar gewesen. Sie billige keinesfalls Gewalt inder Ehe.