Gewerkschafter in Aufsichtsräten Gewerkschafter in Aufsichtsräten: Frank Bsirske hat ein Problem
Berlin/dpa. - Nicht am Ziel entzündet sich dieKritik, sondern an den Reiseumständen: Das Ehepaar Bsirske flog 1.Klasse gratis mit der Lufthansa.
Ver.di-Sprecher Harald Reutter bestätigte am Samstag im WDR-Hörfunk den Freiflug von Frankfurt nach Los Angeles. DenAnschlussflug zum Urlaubsort habe Bsirske aber selbst bezahlt. DieReise sei nach den für Aufsichtsräte der Lufthansa (LH) üblichenRegeln erfolgt. Bsirske sitzt seit Jahren als Arbeitnehmervertreterim LH-Kontrollgremium. Daher steht ihm ein Kontingent an Freiflügenzu. Aus rechtlicher Sicht sei der Flug nicht zu beanstanden, heißt esdenn auch bei der Fluggesellschaft. Und an der moralischen Diskussionbeteilige man sich nicht.
Für eine «Lustreisen-Affäre» taugt der Stoff also nicht. Doch dieReaktionen fielen am Wochenende - besonders im gewerkschaftsfernerenpolitischen Lager - heftig aus. Wobei der Stein des Anstoßes unklarblieb. Die einen regten sich über das Gratisticket auf. Andere überden Umstand, dass Bsirske gewissermaßen in letzter Minute mit derkurz darauf von ver.di bestreikten Airline in den Urlaub enteilt war.Andere mokierten sich darüber, dass er bei diesem Streit nicht «Seit'an Seit'» mit der ver.di-Basis auf den Barrikaden stand.
«Herr Bsirske soll in der Südsee bleiben. Wenn er jetzt nichtzurücktritt, sollten ihm die Gewerkschafter den Stuhl vor die Türsetzen», empfahl FDP-Generalsekretär Dirk Niebel in der «Bild»-Zeitung. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer griff in der«Welt am Sonntag» gleich zur politischen Schrotflinte mit breiterStreuwirkung gegen die Gewerkschaften schlechthin: «Das ist beiGewerkschaftsfunktionären leider nichts Neues: Diejenigen, die denmoralischen Zeigefinger am höchsten heben, halten am ungeniertestendie Hand auf.» Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU)ergänzte in der «Passauer Neuen Presse»: «Das ist typisch für dieLinken und die Grünen: Anderen Wasser predigen und selbst nicht nurWein, sondern den allerbesten Champagner trinken.»
Auch bei den eigenen Parteifreunden stieß Grünen-Mitglied Bsirskeaber auf wenig Verständnis. «Rein formal ist der Urlaubsflug zwarnicht zu beanstanden», stellte die Parlamentarische Geschäftsführerinder Grünen-Bundestagsfraktion, Thea Dückert, in der «Bild»-Zeitungfest. «Aber von Fingerspitzengefühl zeugt das nicht.»
Den in harten Tarifkämpfen erprobten Bsirske dürften dieRücktrittsforderungen wenig beeindrucken, zumal sie eher halbherzigund teilweise aus den hinteren politischen Reihen vorgetragen wurden.Nicht abzusehen ist allerdings, welche Eigendynamik der Streit imderzeit sehr tiefen Berliner Sommerloch noch bekommen kann.
Bsirske steht seit der Gründung von ver.di im März 2001 an derSpitze dieser seinerzeit mit rund 2,9 Millionen Mitgliedern weltweitgrößten Einzelgewerkschaft. Ihre Zahl ist inzwischen auf rund 2,3Millionen gesunken. Zweimal wurde der 56-Jährige mit glänzendenErgebnissen wiedergewählt, zuletzt im Oktober 2007 mit 94,3 Prozent.Der studierte Politikwissenschaftler gilt als brillanter Redner undstrategischer Denker. Unter Rot-Grün wurde er zu einem der schärfstenKritiker der Reform-Agenda 2010 und von Kanzler Gerhard Schröder(SPD).
Bsirske und die Lufthansa - das ging schon früher nicht immer gut.Im Juni 2003 verweigerte ihm die Lufthansa-Hauptversammlung dieEntlastung als Vize-Vorsitzender des Aufsichtsrates. Bsirske zog sichden Zorn der Aktionäre wegen der Streiks im öffentlichen Dienst einhalbes Jahr zuvor zu, unter denen auch der Flugverkehr gelittenhatte. Damit habe er bei der Lufthansa Ausfälle mit Millionenschädenangerichtet, lautete der Vorwurf. Der könnte ihm in diesen Tagen auchgemacht werden. Zwar geht um wesentliche geringere Summen, aber dafürum ein hochemotionales Thema.