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Gesundheitsreform Gesundheitsreform: Klassische DDR-Polikliniken erleben Renaissance

Von Katrin Zeiß 12.02.2004, 12:35

Weimar/dpa. - «Poliklinisches Gesundheitszentrum» steht neben dem Rot-Kreuz-Symbol an der Fassade im Plattenbauviertel Weimar-West. Die DRK-Poliklinik Weimar hat als eine der ganz wenigen klassischen DDR-Polikliniken in Ostdeutschland die Wiedervereinigung überlebt. Neuerdings gelten die jahrelang totgesagten Einrichtungen wieder als Vorbild: Angesichts von Finanznöten im deutschen Gesundheitssystem wurde das einstige Auslaufmodell mit der jüngsten Gesundheitsreform neu erfunden - unter dem Namen «Medizinisches Versorgungszentrum».

«Das Interesse an der Gründung medizinischer Versorgungszentren nimmt deutlich zu», sagt Matthias Zenker, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Thüringen. Die KV vertritt die 3000 niedergelassenen Ärzte im Freistaat. Seit Jahresbeginn verzeichnete sie mehr als 30 Anfragen. Anträge auf Einrichtung derartiger Versorgungszentren liegen für Gera, Heiligenstadt und Nordhausen vor. Vor allem Krankenhäuser, bisher von der ambulanten medizinischen Betreuung weitgehend ausgeschlossen, zeigen Zenker zufolge Interesse.

Denn die Gesundheitsreform erlaubt es nicht nur Kassenärzten, medizinische Versorgungszentren zu betreiben. Auch Kliniken und sogar Apothekern oder Physiotherapeuten ist das erlaubt. Bedingung dafür ist, dass ein Mediziner die Häuser leitet und Ärzte mehrerer Fachrichtungen zusammenarbeiten. Voraussetzung sind zudem freie so genannte Vertragsarztsitze in der jeweiligen Region. Diese werden von KV und Krankenkassen entsprechend der Einwohnerzahl vergeben.

In der DDR gab es nahezu in jeder größeren Stadt eine Poliklinik mit Ärzten verschiedener Fachrichtungen. Laut Einigungsvertrag sollten sie eigentlich vollständig verschwinden, doch seit 1992 gilt Bestandsschutz für die bis dahin noch nicht aufgelösten Häuser. Heute arbeiten nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nur noch 373 angestellte Ärzte in Polikliniken, vor allem in Berlin und Brandenburg. Die meisten ambulant tätigen Mediziner sind hingegen Unternehmer: Bundesweit betreiben rund 117 000 niedergelassene Ärzte eine eigene Praxis, etwa 3200 sind es in Thüringen.

Dass nun auch ambulante Versorgungszentren Patienten behandeln dürfen, habe Vorteile, findet die KV Thüringen. «Die angestellten Ärzte sind wirtschaftlich abgesichert, arbeiten im Team, können Technik gemeinsam nutzen und haben weniger Verwaltungsarbeit», sagt Zenker und verweist auf die Erfahrungen mit der DRK-Poliklinik Weimar. 1993 übernahm der DRK-Kreisverband die ehemals städtische Poliklinik. Heute sind zehn Haus- und Fachärzte, sechs Zahnärzte, 24 Arzthelferinnen und sieben Azubis fest angestellt. Die Zahnärztin Anne Weickert, Mutter von drei Kindern, arbeitet seit 1998 dort. Für sie zählt ein weiterer Vorteil. «Ich kriege Beruf und Familie besser unter einen Hut», meint die 36-Jährige.

Der Internistin Martina Latka (37), zweifache Mutter, erlaubt die Festanstellung beim DRK Teilzeitarbeit. Zudem habe sie sich nicht verschulden müssen, um eine eigene Praxis einzurichten. «Als Einzelkämpferin hätte ich allein für die Technik mindestens 100 000 Euro hinlegen müssen.» Für die Poliklinik hat das DRK Ultraschall- und EKG-Geräte angeschafft, die alle angestellten Mediziner nutzen. Das spart Kosten auch für die Krankenkassen, denn überflüssige Doppeluntersuchungen werden vermieden. Die Ärzte erhalten ein Grundgehalt und eine Leistungszulage. Zufrieden ist auch Gabriele Platzdasch, Leiterin des DRK-Gesundheitszentrums: «Wir schreiben schwarze Zahlen.»