Gesundheit Gesundheit: «Hausarztmodell» soll jetzt die Krankenkassen sanieren

Berlin/dpa. - «Die Kassen verzichten kurzfristig auf Einnahmen zu Gunsten eines Modells, das allenfalls mittel- bis langfristig zu Einsparungen führt. Belege, dass solche Modelle zu Einsparungen führen, fehlen noch», sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, am Montag. Er bezweifelte, dass die derzeit mit rund zehn Milliarden Euro verschuldeten Kassen auf diesem Weg Luft bekommen: «Ihre Fähigkeiten, kurzfristig die Beitragssätze zu senken, werden damit ausgehöhlt. Der Patient verzichtet umgekehrtauf sein Recht der freien Arztwahl», meinte Stahl.
Mehrere große Krankenkassen planen, die seit Jahresbeginn erhobene Praxisgebühr von zehn Euro im Quartal zurückzuerstatten, wenn Patienten bereit sind, außer in Notfällen stets zunächst den Hausarzt aufzusuchen. Dieser übernimmt die Behandlung und überweist den Patienten bei Bedarf an Spezialisten oder Kliniken. Die Kassen versprechen sich davon die Vermeidung von Doppeluntersuchungen unddamit Kosteneinsparungen.
Der Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, Eckard Fiedler, nanntedas Hausarzt-Modell keine Maßnahme gegen die Praxisgebühr. Man nutze nur die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, in bestimmten Fällen auf deren Erhebung zu verzichten beziehungsweise sie zu erstatten, sagte er im Deutschlandfunk. Kritik, die freie Arztwahl werde mit dem Modell eingeschränkt, wies Fiedler zurück, allerdings könne der Versicherte «nicht direkt den Zugang zur Fachärzteversorgung nehmen.»
Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans-Jürgen Ahrens,forderte, das Hausarztmodell müsse zu qualitativ besserer Versorgung der Patienten führen. Dazu bedürfe es eines Netzes geschulter Hausärzte, sagte Ahrens im NDR. Die Botschaft «Geht nur ruhig zum Hausarzt und ihr zahlt keine Praxisgebühr», sei «mit Sicherheit falsch». Hausärzte, die an einem solchen Modell teilnehmen wollen, müssten für die «zusätzlichen Qualitätsanforderungen» geschult sein.
Der Sprecher des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen,Florian Lanz, warnte deshalb davor, unterschiedslos alle Hausärzte indas Modell einzubeziehen. «Klasse statt Masse muss das Ziel sein,nicht umgekehrt», sagte Lanz der dpa. Nach seiner Ansicht wäre nichtsgewonnen, wenn alle Kassen pauschal Verträge mit allen Hausärztenohne Beachtung von Mindeststandards schlössen. Der Versichertebekomme nur dann mehr Qualität. Die Möglichkeit zur freien Hausarzt-Arztwahl werde aber eingeschränkt.
Dies kritisierte heftig der Virchow-Bund, der Verband derniedergelassenen Ärzte Deutschlands. «Mit diesem billigen Ködersollen die Patienten auf den Leim einer Zuteilungsmedizin gehen undauf ihr Recht einer freien Arztwahl verzichten», meinte VizechefHans-Martin Hübner. Das Konzept sei eine «Mogelpackung» der Kassen,die durch Verzicht auf die Praxisgebühr lediglich bei den Patienten«punkten» wollten, damit aber «Beitragserhöhungen» in Kauf nähmen.
Die ersten Hausarzt-Modelle wird es nach Einschätzung derDeutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) erst Ende 2004 geben. DAK-Vorstand Herbert Rebscher warnte im «Hamburger Abendblatt» (Montag)deshalb davor, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen. Es sei zwarrichtig, dass viele Kassen mit Hausärzte-Verbänden über ein solchesModell verhandelten, doch seien noch keinerlei Details geklärt.