Gesundheit Gesundheit: Alles auf einer Karte
BERLIN/MZ. - Angekündigt und verschoben, kritisiert und für undurchführbar erklärt - und nun kommt sie doch: Die "elektronische Gesundheitskarte", die ursprünglich bereits 2006 / 2007 an alle gesetzlich Krankenversicherten ausgegeben werden sollte, wird dieser Tage von den Krankenkassen zugestellt. Zunächst zehn Prozent und damit sieben Millionen gesetzlich Krankenversicherte sollen bis Ende des Jahres die Karte erhalten, die die herkömmlichen Versicherten-Karten ersetzen werden. Der große Rest wird die "e-card" in den darauffolgenden Monaten (und - nach den bisherigen Erfahrungen - Jahren) im Briefkasten vorfinden. MZ-Korrespondent Stefan Sauer beantwortet Fragen zur Karte.
Warum überhaupt eine e-card?
Im Zeitalter der Informationstechnologie befindet sich das Gesundheitswesen bisher noch im Stadium des Buchdrucks. Informationen über Behandlungen, Unverträglichkeiten oder Vorerkrankungen werden, wenn überhaupt, auf dem Postweg zwischen Ärzten, Kliniken, Apothekern und Reha-Zentren ausgetauscht. Doppeluntersuchungen, die etwa beim Röntgen gesundheitliche Belastungen mit sich bringen, sind keine Ausnahme. Allergiepässe oder Organspenderausweise gibt es nur in Papierform. Kurz: Die Vernetzung der Leistungsanbieter im Gesundheitssystem entspricht nicht dem Stand der Technik, im Ernstfall liegen lebenswichtige Informationen nicht vor. Die elektronische Gesundheitskarte vermag all diese Probleme zu lösen, vorerst allerdings nur theoretisch.
Was kann die Karte tatsächlich?
Anfangs nicht viel mehr als die alten Karten. Sie enthält die Verwaltungsdaten - Name, Anschrift, Geburtsdatum, Geschlecht, Versichertenstatus und Kassenzugehörigkeit des Patienten - sowie, als sichtbare Neuheit, ein Passbild des Versicherten. Nur Kinder unter 15 Jahren und Pflegebedürftige benötigen kein Foto. Für das Gros der Versicherten erschwert das Lichtbild den betrügerischen Missbrauch der Karten durch andere Personen erheblich. Zudem können die Daten bei Wohnortwechseln oder anderen Veränderungen problemlos aktualisiert werden, ohne dass wie bisher eine neue Karte ausgestellt werden muss.
Gibt es Hilfe im Notfall?
Im nächsten Ausbauschritt ist die Speicherung so genannter Notfalldaten auf der Karte möglich. Blutgruppe, Allergien, Arzneimittelunverträglichkeiten, Infos zu Schwangerschaften oder Implantaten wie Herzschrittmachern können freiwillig, also auf Wunsch der Versicherten, gespeichert werden. Diese Daten dürfen Ärzte oder Rettungssanitäter ohne Einwilligung des Patienten abrufen, wenn es beispielsweise nach einem Unfall oder Herzinfarkt um Leben und Tod geht. Zudem kann die Karte auch Patientenverfügungen und Organspender-Erklärungen enthalten.
Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Auf Dauer soll die e-card auch den Zugang zu einer "elektronischen Patientenakte" ermöglichen, in der idealerweise alle Vorerkrankungen und Befunde, Arzneimittel, Röntgenbilder und Computertomografien gespeichert sind. Damit dürfte sich die Zahl der Doppeluntersuchungen und Fehltherapien verringern. Das Anlegen einer solchen digitalen Akte bedarf aber der ausdrücklichen Zustimmung des Patienten. Ärzte und Krankenhäuser können die Daten ebenfalls nur dann einsehen, wenn der Versicherte dies wünscht. Auch Rezepte könnten in Arztpraxen auf der Karte gespeichert und in Apotheken abgerufen werden.
Ist der Datenschutz gesichert?
Nach Auskunft der Gematik GmbH, die 2005 zur Einführung der e-card von den Spitzenverbänden der Kassen, Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheker gegründet wurde, ist der Datenschutz gewährleistet. Auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung hat grünes Licht gegeben. "Datensicherheit und informationelle Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten" hätten "höchste Priorität", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Gematik. Zum Abruf von Daten müssen Patient und behandelnde Mediziner eine Pin-Nummer eingeben.
Was kostet das Ganze?
Allein Herstellung und Versand der knapp 70 Millionen Versichertenkarten schlägt mit knapp 140 Millionen Euro zu Buche. Die Ausstattung von 154 000 niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten, 54 000 Zahnärzten, 2 100 Kliniken und 21 400 Apotheken in Deutschland wird weitere 156 Millionen Euro verschlingen. Hinzu kommen 300 Millionen Euro an Entwicklungskosten. Die Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Auf Dauer dürfte sich die e-card allerdings durch den geringeren Verwaltungsaufwand und weniger Mehrfachuntersuchungen rechnen.