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Gespräch Gespräch: «Schrankenloser Wettbewerb bedroht Freiheit»

17.05.2006, 08:17

Saarbrücken/dpa. - Prof. Hans Joachim Meyer, Präsident des Zentralkomiteesder deutschen Katholiken (ZdK), bezeichnet im dpa-Gespräch «DreiFragen, drei Antworten» die Ideologie eines schrankenlosenWettbewerbs als größte Bedrohung der menschlichen Freiheit seit demKommunismus.

Frage: Welches Signal erhoffen Sie sich von dem Katholikentag fürKirche und Gesellschaft?

Prof. Meyer: «Unser Leitwort lautet "Gerechtigkeit vor GottesAngesicht". Das bedeutet: Es kann keine freiheitliche Gesellschaftgeben ohne das Streben nach Gerechtigkeit. Freiheit ohneGerechtigkeit ist nur das Recht des Stärkeren. Aber die Menschenverlieren ihre Freiheit, wenn sie ihre Vorstellung von Gerechtigkeitabsolut setzen und meinen, auf Gott verzichten zu können. Denn daskann zur Gewaltherrschaft führen.»

Frage: Gerechtigkeit ist für viele Ökonomen kein Kriterium mehr,was zählt, sind allein internationale Wettbewerbsfähigkeit undRendite. Kann der Katholikentag ein Forum sein, um wieder denMenschen zum obersten Maßstab in der gesellschafts- undwirtschaftspolitischen Debatte zu machen, oder ist das weltfremdeTräumerei?

Prof. Meyer: «Nach der Niederlage des Kommunismus ist dieBehauptung, ein schrankenloser Wettbewerb müsse diegesellschaftlichen Beziehungen beherrschen, die größte Bedrohung dermenschlichen Freiheit. Wie der Kommunismus, so hat auch dieseIdeologie in der Vergangenheit schon unendlich viel Leid und Elendverursacht. Nur wenn die Menschen begreifen und danach leben, dasssie zugleich für sich und für ihre Mitmenschen Verantwortung tragen,gibt es die Chance zu einer guten Zukunft. Wer aus der gemeinsamenVerantwortung für das mitmenschliche Zusammenleben aussteigt,zerstört die Gesellschaft. Das ist keine weltfremde Träumerei,sondern geschichtlich belegbare Realität.»

Frage: Die Politik sucht die Kirchen wieder stärker als Partner im«Bündnis für Erziehung», bei der Wertevermittlung und als Mutmacher,Familien zu gründen und damit den demographischen Wandel zu schaffen.Sehen Sie die Gefahr der politischen Instrumentalisierung derKirchen, etwa um Sozialabbau erträglicher zu machen und «gerecht»erscheinen zu lassen?

Prof. Meyer: «Der Gefahr einer politischen Instrumentalisierungmüssen sich die Kirchen stets bewusst sein. Das darf sie aber nichtdaran hindern, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr zu nehmen.Was heute unser Zusammenleben bedroht, das ist die Erosion derethischen Grundlagen unserer Gesellschaft. Und was unsere Zukunftbedroht, das ist der schwindende Wille zur Familie und zu Kindern.Beide Gefahren werden wir nur überwinden können, wenn wir einerealistische Perspektive der Gesellschaft entwickeln, die denMenschen gerecht wird und ihnen Mut macht.»