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Trotz Kritik Gesichtserkennung: De Maizière will den Versuch zur Gesichtserkennung in Berlin trotz Kritik fortsetzen

Von Frederik Bombosch 24.08.2017, 14:44
Passanten nutzen in Berlin am Bahnhof Südkreuz einen Eingang der mit „Pilotprojekt zur Gesichtserkennung" gekennzeichnet ist.
Passanten nutzen in Berlin am Bahnhof Südkreuz einen Eingang der mit „Pilotprojekt zur Gesichtserkennung" gekennzeichnet ist. dpa

Berlin - Die Bundesdatenschützerin? Die sei herzlich eingeladen, vorbeizukommen und sich vor Ort am Bahnhof Südkreuz ein Bild vom Projekt Gesichtserkennung zu machen. So wischte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstagmorgen die Kritik seiner Parteifreundin Andrea Voßhoff beiseite. Am Mittwoch hatte Voßhoff gefordert, den Feldversuch, bei dem neue Überwachungssysteme getestet werden sollen, zu unterbrechen. Die Teilnehmer seien vorab unzureichend über die eingesetzte Technik informiert worden, die Bürgerrechtsaktivisten als „mobile Überwachungslabore“ bezeichnen. „Bis dies geschehen ist, sollte das Verfahren mangels Rechtsgrundlage ausgesetzt werden“, schrieb sie auf eine Anfrage dieser Zeitung.

Innenminister rechtfertigt sich

Es mag am Wahlkampf liegen oder daran, dass de Maizière schon länger für diesen Donnerstag selbst einen Besuch mit Pressebegleitung am Südkreuz geplant hatte. Jedenfalls ließ er sich durch den Rüffel nicht beirren. „Wer sich schlecht informiert fühlt, kann jederzeit die Teilnahme an dem Versuch beenden“, sagte der Minister. Außerdem kündigte er an, dass die Bundespolizei gerne zu einem Treffen mit Vertretern des Vereins Digitalcourage bereit sei, der den Einsatz der zweifelhaften Transponder Anfang der aufgedeckt hatte.

Wichtige Daten fehlen

Wie berichtet hatte Digitalcourage bei der Untersuchung eines Transponders – ein Mitglied des Vereins nimmt als Versuchsperson am Projekt Gesichtserkennung teil – festgestellt, dass das Gerät in beachtlichem Umfang Daten aufzeichnet, etwa zu der Temperatur und Beschleunigung, der es ausgesetzt ist. Daraus lässt sich nach Meinung von Digitalcourage ein Bewegungsprofil erstellen. Das Innenministerium erklärte, die entsprechenden Sensoren seien vor der Übergabe an die freiwilligen abgeschaltet worden.

Allerdings scheinen sie sich wieder zu aktivieren, wenn  die Stromversorgung kurz unterbrochen wurde. Das kann beispielsweise passieren, wenn der 25 Millimeter kleine, döschenförmige Transponder, den  die Teilnehmer stets bei sich tragen sollen, einmal herunterfällt.

De Maizière versicherte: „Wir haben überhaupt kein Interesse an diesen Daten.“ Sie würden herausgefiltert und im Rahmen des Versuchs nicht verwendet. Dies hatten die Vertreter von Digitalcourage auch nicht behauptet. Sie warfen den Behörden aber mangelnde Sensibilität und schlechte Vorbereitung vor.

Zudem ist zweifelhaft, ob im Rahmen des Projekts Gesichtserkennung überhaupt valide Daten gewonnen werden. Jedenfalls wird die  Bundespolizei wohl keine Trefferquote ermitteln können – also Daten dazu, in wie viel Prozent der Fälle die Gesichtserkennungssoftware die Versuchsteilnehmer auf den Kamerabildern tatsächlich identifizieren konnte. Die Transponder liefern nämlich keine Daten dazu, wie oft die 300 Testpersonen tatsächlich durch die Blickfelder einer der drei Kameras laufen, die im Rahmen des Versuchs verwendet werden. Stattdessen wird lediglich registriert, wenn sie sich in der Bahnhofshalle aufhalten. Dort hängt in halber Höhe eine Empfangsstation.

Erfolge im Dunkeln?

Dabei sind viele Varianten denkbar: Laufen die Probanden vom Bus zur S-Bahn, dann kommen sie an drei Kameras vorbei. Nehmen sie den gegenüberliegenden Eingang und gehen direkt zum Reisezentrum oder den Schließfächern, werden sie von gar keiner Kamera erfasst. Besuchen sie den Supermarkt oder den Zeitschriftenladen, oder verlassen sie den Bahnhof noch einmal kurz zum Rauchen, dann laufen  sie unter Umständen beliebig oft an den Kameras vorbei.  Wie zuverlässig die Systeme funktionieren – die Bundespolizei testet bei dem Versuch die Software von drei unterschiedlichen Anbietern – lässt sich also nur schwer sagen.

Der Versuch am Bahnhof Südkreuz begann am 1. August und soll ein halbes Jahr lang laufen. Wie Innenminister de Maizière erklärte, sollen während des Versuchs insbesondere darüber Erkenntnisse gewonnen werden, wie zuverlässig die Technik bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen funktioniert. Grundsätzlich verteidigte er die Einführung von Gesichtserkennungstechniken. sie brächte einen „unglaublichen Sicherheitsgewinn“, gerade vor dem Hintergrund terroristischer Bedrohungen. Funktioniere die Technik, dann befürworte er auch eine großflächige Einführung.