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Geschichte Geschichte: Vor 75 Jahren beschloss der Reichstag das Ermächtigungsgesetz

Von Peter Kosfeld 10.04.2008, 08:42

Berlin/ddp. - Mit dem «Gesetz zur Behebung der Not von Volkund Reich» sicherte sich der damalige Reichskanzler und spätere«Führer» Adolf Hitler die uneingeschränkte politische Kontrolle. DerReichstag als demokratische Institution schaffte sich damit quasiselbst ab. Hitler regierte fortan mit diktatorischen Vollmachten undführte Deutschland in einen katastrophalen Krieg.

Zu der Zeit, knapp zwei Monate nach der Ernennung Hitlers zumReichskanzler, waren schon zahlreiche Abgeordnete an der Abstimmunggehindert, so etwa die Kommunisten, die von den Nazis unbarmherzigverfolgt wurden. An diesem historischen Tag stimmten nur die 94Sozialdemokraten gegen das Gesetz. Die anderen Parteien, darunter dieoppositionelle katholische Zentrumspartei und die BayerischeVolkspartei (BVP), votierten mit Hitlers NSDAP dafür.

Das Ermächtigungsgesetz sah vor, dass die Reichsregierung alleinGesetze beschließen kann, ohne das Parlament damit zu befassen: EineVerquickung von Exekutive und Legislative. Fortan regierten nur nochdie Nazis. Andere Parteien wurden verboten, deren Repräsentantenermordet, verhaftet, verfolgt oder kaltgestellt.

Der SPD-Abgeordnete Otto Wels hielt am 23. März 1933 in derBerliner Krolloper, die nach dem Reichstagsbrand als Parlamentssaalgenutzt wurde, eine flammende Rede gegen das Gesetz und warntehellsichtig vor den Folgen für das Land: «Noch niemals, seit es einenDeutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichenAngelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchemMaße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht und wie es durchdas neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. (...) Wirdeutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichenStunde zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit,der Freiheit und des Sozialismus.» Wels rief den Abgeordenten zu:«Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.»

Die demokratische Weimarer Republik, die mit der Nazi-Diktatur zuEnde ging, war ein fragiles politisches Gebilde. Wegen der Vielzahlvon Parteien und mangels stabiler Mehrheiten wechselten dieRegierungen rasch. Oft griffen Regierungschefs auf das Instrument derNotverordnung zurück, um überhaupt etwas beschließen zu können.

Erschwerend hinzu kam die schlechte wirtschaftliche Lage mitMillionen von Arbeitslosen und hoher Inflation in den 30er Jahren. Am30. Januar 1933 schließlich berief der greise Reichspräsident Paulvon Hindenburg den von ihm nicht geschätzten Hitler zum neuenReichskanzler. Zu diesem Zeitpunkt war Hitlers Partei, die NSDAP,bereits klar stärkste Kraft im Reichstag.

Die anderen maßgeblichen politischen Kräfte meinten damals, siekönnten den bekanntermaßen radikalen Hitler unter Kontrolle halten.Dies gelang von Anfang an nicht. Hitler hatte nie einen Zweifel darangelassen, dass er die Demokratie und die damit verbundenenInstitutionen so bald wie möglich abschaffen würde.

Den Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 nutzten die Nazis zurDurchsetzung einer Verordnung aus, mittels derer Grundrechte außerKraft gesetzt und Regimekritiker, vor allem Kommunisten, verfolgtwurden. Bei Neuwahlen am 5. März 1933 verfehlte die NSDAP dieabsolute Mehrheit. Am 23. März 1933 setzte Hitler dann mit demErmächtigungsgesetz die demokratische Verfassung außer Kraft.

Am 1. September 1939 überfiel Nazi-Deutschland Polen. Dies giltals Beginn des Zweiten Weltkriegs. Nach anfänglichen Erfolgenkapitulierte am 8. Mai 1945 die deutsche Armee in militärisch völligaussichtsloser Lage. Viele deutsche Städte, darunter die HauptstadtBerlin, lagen in Trümmern. Millionen Menschen in vielen LändernEuropas waren auf der Flucht, als Soldaten gefallen oder wurdenermordet, darunter schätzungsweise sechs Millionen Juden.

Der «Führer» nahm sich im April 1945 in seinem Berliner Bunker dasLeben. Damit entdete die zwölf Jahre währende Schreckensherrschaftder Nazis in Deutschland. Der Kalte Krieg führte später zur TeilungDeutschlands: In Ostdeutschland setzte die Sowjetunion einesozialistische Diktatur durch, in Westdeutschland sorgten die USA füreine freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Die Konstruktionsfehler im demokratischen System der WeimarerRepublik wurden in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschlandberücksichtigt. Mit der Einführung einer Fünf-Prozent-Klausel wurdeeine neuerliche Zersplitterung der Parteienlandschaft mit der Folgeunklarer Machtverhältnisse und häufiger Neuwahlen verhindert.Außerdem beinhaltet die Verfassung unveräußerliche Grundrechte sowiedie Gewaltenteilung, um ein fatales Ermächtigungsgesetz wie das vor75 Jahren unmöglich zu machen.