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Geschichte Geschichte: Totenbuch und Leichenkarre

Von Imke Hendrich 08.04.2008, 07:51
Schränke, ein Schemel aus der Tischler-Werkstatt des KZ Sachsenhausen und ein dreistöckiges Häftlingsbett stehen in der ehemaligen Häftlingsküche der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. (Foto: dpa)
Schränke, ein Schemel aus der Tischler-Werkstatt des KZ Sachsenhausen und ein dreistöckiges Häftlingsbett stehen in der ehemaligen Häftlingsküche der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Oranienburg/MZ. - Harry Naujoks war einer von ihnen. Wie alleder mehr als 200 000 KZ-Häftlinge erschütterte ihn das «ständiggegenwärtige Morden»: «Der Rauch aus den Schornsteinen derKrematorien, die Schwaden, die aus den glimmenden Knochenrestenaufstiegen, legten sich auf das Lager und die Umgebung.» Von 1936 bis1942, quälende sechs Jahre litt Naujoks als politischer Häftling imKonzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin. Seine bewegenden Zitatesind in der neuen Überblicksschau zur Geschichte des Lagersnachzulesen. Die Ausstellung wird am 17. April in der einstigenHäftlingsküche auf dem Areal der KZ-Gedenkstätte eröffnet.

Mit Exponaten wie der Leichenkarre, Utensilien der Häftlinge, ausdem Lager geschmuggelten Fotos sowie bewusst auf das Wesentlichebeschränkten Texten ist die Schau das Bindeglied für die 13Dauerausstellungen auf dem Areal. Aus 51 geschilderten Ereignissender Geschichte des einst als Modell-KZ von den Nazis konzipiertenLagers gewinnt der Betrachter auf den rund 300 Quadratmetern einüberaus erschütterndes Bild.

Präsentiert wird auch erstmals das Totenbuch des KZ. «Aus allenuns bekannten Quellen haben wir die Namen von 20 500 Opfernzusammengetragen», sagte der Direktor der Stiftung BrandenburgischeGedenkstätten, Günter Morsch. «Dieses Totenbuch ist der eigentlicheGedenkstein für sie ­ auch, wenn sich in dem Buch nur ein Bruchteilder mehreren zehntausend Todesopfer findet.» Grausame Hilfsmittel desTerrors - der Leichenschlitten, der Galgen und der Prügelbock -werden in der Schau ebenfalls gezeigt. Zudem läuft in einem kleinenKino ein Film zur Geschichte des Ortes im historischen Kontext.

Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) würdigt dieSchau als «eine der wichtigsten Sanierungsmaßnahmen» im Rahmen derNeugestaltung der einstigen DDR-Gedenkstätte. Die Neukonzeption hatte1994 mit der Ausstellung zum KZ Oranienburg (1933-1934) begonnen,setzte sich mit der Öffnung der Jüdischen Baracke 1997 und vier Jahrespäter dem Museum zum Sowjetischen Speziallager (1945-1950) bis zurNeugestaltung der einstigen Tötungsstätte «Station Z» 2005 fort.

Die Eröffnung der für rund 3,25 Millionen Euro in den vergangenenzwei Jahren im alten «Lagermuseum der DDR» eingerichteten Ausstellungfällt zusammen mit dem 63. Jahrestag der Befreiung, der am 20. Aprilbegangen wird. Morsch wollte dies bewusst so als «Verbeugung vor denÜberlebenden». Harry Naujoks, einst Lagerältester, wird nicht mehrdabei sein können. Er starb 1983.