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Geschichte Geschichte: Für Deutschland endet 2010 der Erste Weltkrieg

Von Georg Ismar 06.12.2009, 08:52

Berlin/dpa. - Und es ist ein Posten, der kommende Generationen nicht mehr belastenwird. 2010 werden die letzten Folgeschulden des Ersten Weltkriegsgetilgt sein - die fehlenden 56 Millionen Euro sollen nach Angabendes Bundesfinanzministeriums bis zum 3. Oktober kommenden Jahres, dem20. Jahrestag der Wiedervereinigung, beglichen werden. Damit endendie Langzeitfolgen des Versailler Vertrags, der in Deutschland als«Schandfrieden» geschmäht wurde, die Weimarer Republik strangulierteund als mitverantwortlich gilt für den Aufstieg Adolf Hitlers.

65 Millionen Soldaten - davon 11 Millionen Deutsche - kämpften von1914 bis 1918 vor allem auf den Schlachtfeldern in Europa.Städtenamen wie Verdun wurden Symbole sinnlosen Gemetzels. Etwa 8,5Millionen Menschen starben. In den im Pariser Vorort Versaillesunterzeichneten Verträgen wurde dem Deutschen Reich die alleinigeKriegsschuld zugeschrieben. Rund 130 Milliarden GoldmarkEntschädigung forderten unter anderem Amerikaner, Briten undFranzosen. 92 Jahre nach Kriegsende wird dieses Kapitel, zumindestfinanziell, abgeschlossen - wenn das in Berlin beheimatete Bundesamtfür zentrale Dienste und offene Vermögensfragen die letzten Ansprüchebeglichen hat.

Um nach 1918 die Reparationskosten zahlen zu können, gewährten dieAlliierten nach der Hyperinflation 1923 Deutschland mehrfach hoheAnleihen, etwa 1924 im Rahmen des Dawes-Plan zu 7 Prozent Zinsen und1930 als Young-Anleihe zu 5,5 Prozent Zinsen. Mit dem frischen Geldsollte auch die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Die Anleihensind der Grund, warum Deutschland immer noch zahlt.

Die von 1933 bis 1945 herrschenden Nazis waren nicht bereit, denAlliierten ihr Geld zurückzuzahlen. Der Schuldenberg wuchs. Nach demZweiten Weltkrieg musste eine neue Regelung auch für die Schulden ausden Anleihen gefunden werden. Zumal sich von 1945 bis 1952 imdarnieder liegenden Deutschland große Zinsrückstände bei den Anleihenanhäuften, allein bei der Young-Anleihe 175,8 Millionen Mark.

Im Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 wurdevereinbart, dass die Zinsrückstände 1945-1952 - mit Rücksicht auf dieGebietsverluste und die so geminderte Wirtschaftskraft - bis zu einerWiedervereinigung Deutschlands zurückgestellt werden. Dieeigentlichen Schulden für die Anleihen wurden bis 1980 hingegenbereits zurückgezahlt - 990 Millionen Mark für die Young-Anleihe, 341Millionen für die Dawes-Anleihe und 200 Millionen für die Kreuger-Anleihe.

Die Gesamtverbindlichkeiten Deutschlands - vor allem die Kostenfür den Zweiten Weltkrieg - wurden von den Alliierten im LondonerSchuldenabkommen 1953 mit rund 14 Milliarden D-Mark festgestellt undbis 1988 bei Briten, Franzosen und Amerikanern getilgt. «Es bestehenkeine offenen, verbrieften Forderungen aus dem Zweiten Weltkrieggegenüber der Bundesrepublik Deutschland mehr», betont Jörg Müllervon der Deutschen Finanzagentur, die von Frankfurt/Main aus dieSchulden verwaltet. Die letzten Reparationsforderungen derSowjetunion an die DDR wurden 1990 im «2+4-Vertrag» abschließendgeregelt.

Übrig blieben nur die Zinsrückstände von 1945 bis 1952, diewiederum eine Altlast von Versailles sind: Mit dem 3. Oktober 1990kam nicht nur die Einheit, sondern für die Finanzbeamten gemäß demLondoner Schuldenabkommen auch die Verpflichtung, diese Rückständezurückzuzahlen.

Von 1990 bis 2010 werden sich diese voraussichtlich auf 68Millionen Euro für Zinsen und 125 Millionen Euro für Tilgungenbelaufen. Das Geld geht in Tranchen unter anderem an Gläubiger, dieSchuldverschreibungen besitzen. Für die Finanzbeamten ist es Routine,wenn 2010 mit 56 Millionen Euro die letzten Gelder bezahlt werden,dennoch hat es etwas Historisches: Es ist ein Schlussstrich unteralle bekannten finanziellen Forderungen der Alliierten aus den beidenWeltkriegen.