1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Geschichte: Geschichte: «Der 1. Weltkrieg war ein Unfall in der Geschichte»

Geschichte Geschichte: «Der 1. Weltkrieg war ein Unfall in der Geschichte»

27.07.2004, 16:05
Ein 70-jähriger Freiwilliger steht im August 1914 in Leipzig neben einem geschmückten Zug mit der Aufschrift «nach Paris!», der Truppen an die Westfront bringen soll. (Archivfoto: dpa)
Ein 70-jähriger Freiwilliger steht im August 1914 in Leipzig neben einem geschmückten Zug mit der Aufschrift «nach Paris!», der Truppen an die Westfront bringen soll. (Archivfoto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - "Jeder hat auf seiner Ebene Schuld auf sichgeladen", sagt der Kieler Historiker HelmutGrieser. Wien habe einen regionalen, Berlin,Moskau und Paris hätten einen kontinentalenKrieg gesucht, um das Ungleichgewicht in Europazu klären. Der Weltkrieg sei "quasi ein Unfallder Geschichte" gewesen. Sein BielefelderKollege Hans-Ulrich Wehler will dem zwar nichtganz folgen, stimmt aber zu, dass "mit Sicherheitniemand diesen totalen Krieg mit Stellungskriegund Revolution gewollt hat".

Anfangs empfanden Deutsche, Franzosen undEngländer durchaus so etwas wie Kriegseuphorie,und die Deutschen hatten zunächst auch erheblicheErfolge. Hunderte Kilometer wälzten sich dieArmeen durch Belgien und Frankreich, wurdenaber bereits im September 1914 durch das "Wunderan der Marne" gestoppt. "Der Krieg war vonAnfang an kaum gewinnbar", sagt Grieser. DerHistoriker Ulrich Matthée erklärt, warum:"Berlin hat zu viel Kraft für die dann nutzloseFlotte aufgebracht. Das Heer konnte 40 Prozentder Rekruten nicht einsetzen." Zwar sahendie Deutschen schon die Silhouette des mitSprengladungen bestückten Eiffelturms. Dochdie Verteidiger hielten stand. Erstmals inder Geschichte erlebten Soldaten die Schreckendes Stellungskrieges.

Millionen standen sich in schlammigen Gräbengegenüber, geplagt von Ratten, Leichengeruchund immer wieder Trommelfeuer. Millionen Granatengingen auf die Gräben nieder. Doch die Artilleriewar wenig effektiv. Viel mehr Männer starbenim Stacheldraht, niedergemäht vom erstmalsmassenhaft eingesetzten Maschinengewehr. Beigroßen Offensiven kamen jeweils Zehntausendeinnerhalb weniger Stunden ums Leben - derFrontverlauf änderte sich kaum.

Im letzten Kriegsjahr führte eine Offensivedie Deutschen noch einmal bis vor Paris. DochBriten und vor allem Amerikaner stärkten dieReihen und den Kampfesgeist. Während jedenMonat 300000 gut ausgerüstete Männer überden Atlantik kamen, verloren die Deutschenjede Offensivfähigkeit. Der Sieg im Ostenkam zu spät.

Beendet wurde der Krieg jedoch an der durchHungerwinter geschwächten "Heimatfront". DieMatrosen der Hochseeflotte erhoben sich undbildeten den Funken im Pulverfass des zusammenbrechendenReiches. In Berlin und Wien sowie zuvor schonin St. Petersburg stürzten die Monarchien,das Osmanische Reich zerfiel. Während dieAmerikaner bei den sich anschließenden Friedensverhandlungenauf Versöhnung setzten, sannen London undvor allem Paris auf Rache. Mit den Verträgenvon Versailles, St. Germain und Trianon beendetensie zwar den "Großen Krieg". Sie legten aberzugleich eine Saat für den Zweiten.

Französische Soldaten klettern während der Schlacht um die ostfranzösische Stadt Verdun zu einem Angriff aus ihren Schützengräben (Archivfoto von 1916). Bei der Schlacht starben von Februar bis Dezember 1916 rund 700 000 Menschen. (Foto: dpa)
Französische Soldaten klettern während der Schlacht um die ostfranzösische Stadt Verdun zu einem Angriff aus ihren Schützengräben (Archivfoto von 1916). Bei der Schlacht starben von Februar bis Dezember 1916 rund 700 000 Menschen. (Foto: dpa)
AFP/epa