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Gerangel um Rücktritt von Michael Glos

08.02.2009, 17:27

Berlin/dpa. - Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) steht nach einem Bericht von «sueddeutsche.de» kurz vor seiner Ablösung. CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seien sich offenbar einig, dass Glos nicht länger im Amt bleiben solle, meldet das Internetportal.

Eine Quelle für diese Informationen wurde nicht genannt. Eine Bestätigung gab es zunächst nicht. Unklar blieb zunächst, wer das Amt des Wirtschaftsministers übernehmen soll.

Am Samstag hatte der 64-Jährige Glos zur großen Überraschung aller Koalitionsparteien seinen sofortigen Rücktritt angekündigt. Als Gründe nannte er in einem Brief an CSU-Chef Horst Seehofer sein Alter und seine persönliche Lebensplanung. Der bayerische Ministerpräsident lehnte Glos' Bitte um eine Enthebung von seinem Amt zunächst jedoch ab.

Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab es bis zum späten Sonntagnachmittag keinerlei offiziellen Kommentar. Aus Unionskreisen hieß es jedoch, die Unionsführung wolle eine «rasche Lösung». In der CSU-Spitze werde intensiv beraten, ob man dem Wunsch von Glos nach einer Ablösung entsprechen könne, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa. Merkel sei in die Gespräche eingebunden. Offen sei, ob eine Lösung noch am Sonntag gefunden werden könne. Auch der Koalitionspartner SPD forderte eine schnelle Entscheidung. Die Opposition verlangte die sofortige Absetzung des Ministers.

Nach Informationen der «Bild am Sonntag» hatte Glos die Kanzlerin am Samstag über seinen Wunsch informiert, das Kabinett nach dreieinhalb Jahren vorzeitig zu verlassen. Merkel habe jedoch darauf bestanden, dass der Minister im Amt bleibt. Offiziell gab es dafür keine Bestätigung. Seehofer sagte am Samstagabend in München, er werde der Bitte des amtsmüden Wirtschaftsministers um Ablösung «nicht entsprechen». Zugleich kündigte er ein Gespräch mit Glos an.

Nach dpa-Informationen war das seit langem zerrüttete Verhältnis zu Seehofer mit ein Auslöser für Glos' Entscheidung. Demnach hat der CSU-Chef hinter dem Rücken des Ministers bereits mögliche Nachfolger angesprochen. Dies habe das Fass zum Überlaufen gebracht, hieß es aus Unionskreisen. Als einer der möglichen Nachfolger wurde der bayerische Bau-Unternehmer und CSU-Schatzmeister Thomas Bauer genannt. Im Gespräch waren auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und Wirtschafts-Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (CSU).

Das Rücktrittsangebot begründete Glos in einem Brief an Seehofer unter anderem damit, dass er bald 65 Jahre alt werde. Vor der Europawahl im Juni und der Bundestagswahl im September seien «Erneuerung, Gestaltungskraft und Glaubwürdigkeit» mehr gefragt denn je. In dem Schreiben heißt es weiter: «Ich bitte dich, mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden.» Glos gilt als eine der Schwachstellen innerhalb des Kabinetts. Seit Beginn der Wirtschaftskrise steht er noch mehr im Schatten von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).

Formal ist nicht der CSU-Chef, sondern Bundeskanzlerin Merkel für die Zusammensetzung des Kabinetts verantwortlich. Die Praxis innerhalb der großen Koalition sieht aber so aus, dass jede Partei ihre Personalfragen selber klären kann. Die SPD verlangte eine schnelle Entscheidung. «Da muss wieder Ordnung geschaffen werden», sagte Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin». «Wir brauchen in dieser Lage einen handlungsfähigen Wirtschaftsminister.»

CSU-Schatzmeister Bauer machte in mehreren Interviews deutlich, dass er Interesse am Amt hat. Er bestätigte, dass ihm Seehofer mehrfach höhere Posten angeboten habe. Allerdings wolle er Glos nicht verdrängen. «Sueddeutsche.de» sagte er: «Ich würde schon einen anderen Stil in der Politik verfolgen. Ich würde intensiv mit den Wirtschaftsvertretern sprechen und versuchen, wieder gemeinsam erfolgreich zu werden.»

Der frühere langjährige CSU-Landesgruppenchef Glos war nur Wirtschaftsminister geworden, weil der damalige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nach der Wahl 2005 einen Wechsel nach Berlin überraschend ablehnte. Glos gilt als Vertreter einer konservativ ausgerichteten Wirtschaftspolitik, der aber in der großen Koalition nur wenige Akzente setzen konnte.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte: «Eine außer Kontrolle geratene bayerische Regionalpartei blockiert das ganze Land, und die Kanzlerin schaut macht- und tatenlos zu.» FDP-Chef Guido Westerwelle forderte Merkel auf, die «Handlungsfähigkeit ihrer Regierung in den zentralen Bereichen der Wirtschaftspolitik» wieder herzustellen. Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst bezeichnete es als «unverantwortlich», Glos gegen seinen Willen im Amt zu halten.