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Gerangel um Rücktritt von Michael Glos

08.02.2009, 19:38

Berlin/dpa. - Mitten in der schweren Wirtschaftskrise muss die große Koalition den Wirtschaftsminister auswechseln. Einen Tag nach dem Rücktrittsangebot von Michael Glos (CSU) einigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer darauf, den amtsmüden Minister abzulösen.

Dies geht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa aus Unionskreisen hervor. Unklar war am Sonntag zunächst, wer Nachfolger wird. Am Samstag hatte Seehofer Glos' Bitte um eine Amtsenthebung noch abgelehnt.

Neben CSU-Schatzmeister Thomas Bauer wurden nach dpa-Informationen auch Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg und der bayerische Umweltminister Markus Söder als Nachfolger von Glos gehandelt. Im Gespräch waren zudem Wirtschafts-Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (CSU) und der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon. Der Vorsitzende der Jungen Union in Bayern, Stefan Müller, sagte im ZDF, er rechne damit, dass Seehofer einen Nachfolger aus der Berliner CSU- Landesgruppe präsentieren werde. Seehofer und Glos trafen sich am Abend an einem unbekannten Ort in Bayern zu einem klärenden Gespräch.

Ramsauer stand nach dpa-Informationen aus Unionskreisen für die Glos-Nachfolge nicht zur Verfügung. Er hatte aufgrund seiner Position das erste Zugriffsrecht. Ramsauer nehme aber sein Versprechen bei der Wahl zum Landesgruppenvorsitzenden ernst und wolle für eine Wahlperiode im Amt bleibe, hieß es.

Der 64-jährige Glos hatte am Samstag in einem Brief an Seehofer als Gründe für seinen Schritt sein Alter und seine persönliche Lebensplanung genannt. Nach dpa-Informationen spielte auch das seit langem zerrüttete Verhältnis zu Seehofer eine Rolle. Glos sagte am Sonntagabend bei einem Auftritt vor Parteifreunden, sein Rücktrittsgesuch sei ein Beitrag, politisches Vertrauen in die CSU zurückzuerobern. Er werde alles tun, damit die Partei durch den Schritt keinen Schaden nehme.

Das Rücktrittsangebot begründete Glos in seinem Brief an Seehofer unter anderem damit, dass vor der Europawahl im Juni und der Bundestagswahl im September «Erneuerung, Gestaltungskraft und Glaubwürdigkeit» mehr gefragt seien denn je. Nach dpa-Informationen hatte Seehofer hinter dem Rücken von Glos bereits mögliche Nachfolger angesprochen. Dies habe das Fass bei Glos nach dreieinhalb Jahren im Kabinett zum Überlaufen gebracht, hieß es aus Unionskreisen.

Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab es bis zum Abend keinen offiziellen Kommentar. Aus Unionskreisen hieß es, die Unionsführung wolle eine «rasche Lösung». Auch der Koalitionspartner SPD forderte eine schnelle Entscheidung. Die Opposition verlangte die sofortige Absetzung des Ministers.

Formal ist nicht der CSU-Chef, sondern die Bundeskanzlerin für die Zusammensetzung des Kabinetts verantwortlich. Die Praxis innerhalb der großen Koalition sieht aber so aus, dass jede Partei ihre Personalfragen selber klären kann. Die SPD verlangte eine schnelle Entscheidung. «Da muss wieder Ordnung geschaffen werden», sagte Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der ARD. «Wir brauchen in dieser Lage einen handlungsfähigen Wirtschaftsminister.»

Der frühere langjährige CSU-Landesgruppenchef Glos war nur Wirtschaftsminister geworden, weil der damalige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nach der Wahl 2005 einen Wechsel nach Berlin überraschend ablehnte. Glos gilt als Vertreter einer konservativ ausgerichteten Wirtschaftspolitik, der aber in der großen Koalition nur wenige Akzente setzen konnte.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte: «Eine außer Kontrolle geratene bayerische Regionalpartei blockiert das ganze Land, und die Kanzlerin schaut macht- und tatenlos zu.» FDP-Chef Guido Westerwelle forderte Merkel auf, die «Handlungsfähigkeit ihrer Regierung in den zentralen Bereichen der Wirtschaftspolitik» wieder herzustellen. Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst bezeichnete es als «unverantwortlich», Glos gegen seinen Willen im Amt zu halten.