Georgien-Russland-Streit Georgien-Russland-Streit: Nato ruft zur Mäßigung im Konflikt auf

Portoroz/Tiflis/Moskau/dpa. - NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer rief bei einemTreffen mit Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow in Portoroz(Slowenien) am Freitag beide Seiten zu Mäßigung auf. Iwanowbeschuldigte die Kaukasusrepublik, ihre Konflikte in den von Moskauunterstützten abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetienmilitärisch lösen zu wollen, um dann der NATO beizutreten. In Tiflisbegann das Gerichtsverfahren gegen die unter Spionageverdachtstehenden Russen.
Iwanow sagte in Slowenien, «eine Gruppe jüngerer NATO-Staaten»habe illegal Waffen aus früheren Sowjetbeständen an Georgiengeliefert. Dabei ließ er offen, welche NATO-Länder gemeint seien. DieGebiete Abchasien und Südossetien äußern sich seit längerembeunruhigt über eine Modernisierung der georgischen Streitkräfte. ZumMissfallen Moskaus zeigt vor allem Polen eine demonstrativeUnterstützung für die ehemalige Sowjetrepublik Georgien.
In Tiflis hielt die georgische Polizei den Stab der russischenTruppen weiter abgeriegelt, von dem aus die zwei MilitärstützpunkteRusslands in Georgien mit insgesamt 3000 Soldaten geführt werden. Indem Gebäude hält sich ein weiterer unter Spionageverdacht stehenderrussischer Offizier des Militärgeheimdienstes GRU auf. Russland werdeden Offizier nicht an die georgische Justiz ausliefern, teiltenDiplomaten mit. Aus Protest gegen die Verhaftungen vom Mittwoch riefdas russische Außenministerium seinen Botschafter in Georgien zuKonsultationen nach Moskau. Auch mehr als 80 russische Militärs,Diplomaten und Familienangehörige verließen mit SonderflügenGeorgien.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit begann am Freitag in Tiflisdas Strafverfahren gegen vier angeklagte russische Offiziere. VorGericht stehen auch elf georgische Staatsbürger, die angeblich fürSpionagedienste angeworben worden waren. Die georgische Regierungwirft den russischen Streitkräften im Land vor, die Zusammenarbeitmit der NATO auszuspionieren und «gezielte Provokationen»vorzubereiten. In Tiflis reagierte man gelassen aufSanktionsandrohungen aus Moskau. «Alle möglichen Sanktionen gegen unshat man längst erlassen», sagte Verteidigungsminister IrakliOkruaschwili.
Bei dem NATO-Russland-Treffen in Slowenien rief De Hoop SchefferRussland und Georgien zu «Mäßigung und Deeskalation» des Konfliktsauf. Er sagte vor Journalisten: «Aber das ist natürlich einebilaterale Frage zwischen Russland und Georgien, in der die NATOkeine Rolle spielt.»
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung ergänzte, «dass wirdie aktuelle Situation mit Sorgen sehen und dass es unser Ziel ist,zu einer friedlichen Entwicklung im Kaukasus beizutragen». Die Gefahreines militärischen Konfliktes sehe er jedoch nicht: «Auch weilsowohl Russland als auch andere Beteiligte deutlich gemacht haben,dass sie an einer friedlichen Entwicklung interessiert sind.» Es seiaber gut, dass Moskau bis 2008 seine Soldaten aus Abchasien undSüdossetien zurückziehen werde, wo sie in Friedensmissioneneingesetzt sind.
Die NATO hatte erst am 21. September entschieden, Georgien einen«intensivierten Dialog» anzubieten. Diese besondere Form derZusammenarbeit ist eine Vorstufe für einen späteren Mitgliedsantrag.NATO-Diplomaten sagten aber, wegen der internen Konflikte Georgiensund der Spannungen mit Russland stehe die von der Regierung in Tiflisgewünschte NATO-Mitgliedschaft «derzeit nicht zur Diskussion».
Der Weltsicherheitsrat wollte sich am Freitag von UN-Experten überdie Lage in Georgien unterrichten lassen. Russland hatte dem Rat amDonnerstagabend (Orstzeit) bei kurzfristig einberufenen Beratungeneinen Entwurf für eine formale Stellungnahme des höchsten UN-Gremiumszu dem Konflikt vorgelegt. In diesem Entwurf hieß es, dass dieFestnahme der fünf russischen Offiziere eine «nicht akzeptable undgefährliche Provokation» darstellt und sich Georgien aller Aktionenenthalten möge, die den Frieden in der Region gefährden könnten.
Ob die russische Vorlage von den anderen 14 Ratsmitgliedernangenommen und vom amtierenden Ratspräsidenten Adamantios Vassilakisverlesen wird, war zunächst nicht abzusehen. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin sagte nach einer ersten Zusammenkunftdes höchsten UN-Gremiums am Abend, dass die Botschafter noch Weisungaus ihren Hauptstädten erwarteten. Tschurkin hatte den Rat zunächstaus russischer Sicht über den Konflikt informiert. Er sprach voneinem Höhepunkt «jüngster schwerwiegender Provokationen durchgeorgische Behörden».